unmoeglich! Ebenso unmoeglich erschien es ihr aber, sich getaeuscht und einen
Anderen fuer ihn gehalten zu haben. Ohne Zweifel war es ihr Sohn gewesen,
den sie eben gesehen hatte, und wenn Dieser sie nicht wieder erkannte, so
wollte er es nicht, so durfte er sie nicht erkennen, so hatte er triftige,
zwingende Gruende, so zu handeln. Dann unterdrueckte sie allen Mutterschmerz
in ihrer Brust und peinigte sich mit dem einzigen Gedanken: "Sollte ich
ihn wider Willen in's Verderben gestuerzt haben?"
"Ich bin eine Thoerin! antwortete sie Allen, die sie fragten. Meine Augen
haben mich betrogen! Dieser junge Mann ist mein Kind nicht! Er hatte ja
gar nicht dessen Stimme! Lassen wir es. Zuletzt werde ich meinen Sohn noch
in Jedermann zu sehen glauben."
Kaum zehn Minuten spaeter erschien ein Tartarenofficier im Posthause.
"Marfa Strogoff? fragte er laut.
-- Das bin ich, antwortete die betagte Frau so ruhig im Ton und im Antlitz,
dass die Zeugen der vorigen Scene sie kaum wieder erkannten.
-- Komm mit mir!" sagte der Officier.
Mit sicherem Schritte folgte Marfa Strogoff dem tartarischen Officier und
verliess das Posthaus.
Wenige Minuten spaeter befand sich Marfa Strogoff mitten in dem
Truppenlager des Hauptplatzes und gegenueber dem gefuerchteten Iwan Ogareff,
dem alle Einzelheiten der oben erzaehlten Scene unverweilt berichtet worden
waren.
Iwan Ogareff muthmasste ebenfalls den wahren Sachverhalt und hatte die alte
Sibirierin selbst darueber befragen wollen.
"Dein Name? leitete er das Verhoer in strengem Tone ein.
-- Marfa Strogoff.
-- Du hast einen Sohn?
-- Ja.
-- Er ist Courier des Czaaren?
-- Ja.
-- Wo befindet er sich?
-- In Moskau.
-- Du bist von ihm ohne Nachrichten?
-- Ohne jede Nachricht.
-- Seit wie lange?
-- Seit zwei Monaten.
-- Wer ist aber der junge Mann, den Du noch vor wenig Augenblicken im
Posthause Deinen Sohn nanntest?
-- Ein junger Sibirier, den ich fuer ihn hielt, antwortete Marfa Strogoff.
Das ist der Zehnte, in dem ich meinen Sohn zu finden glaubte, seit die
Stadt voller Fremden ist. Ich glaube ihn eben ueberall zu erkennen.
-- Jener junge Mann war demnach Michael Strogoff nicht?
-- Er war es leider nicht.
-- Weisst Du, alte Frau, dass ich Dich foltern lassen kann, bis Du die
Wahrheit eingestehst?
-- Ich spreche die Wahrheit, und keine Folter wuerde meine Aussage
abzuaendern vermoegen.
-- Jener Sibirier war Michael Strogoff wirklich nicht? frag
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