n Sohn! Mein Sohn!"
Seine Mutter, die alte Marfa, stand vor ihm. Sie laechelte und sie zitterte
doch vor Freude und streckte ihm sehnsuechtig die Arme entgegen.
Michael Strogoff erhob sich. Er wollte ihr entgegenfliegen ....
Da hielt ihn der Gedanke an seine Pflicht, an die ernsthafte Gefahr fuer
seine Mutter und ihn bei dieser bedauerlichen Begegnung ploetzlich zurueck,
und er gewann so viel Herrschaft ueber sich, dass auch nicht ein Muskel
seines Gerichtes zuckte.
Zwanzig Personen fuellten jetzt den Wartesaal. Unter ihnen konnten recht
wohl einige Spione sein, und wusste man denn nicht auch, dass Marfa
Strogoff's Sohn zu dem Specialcorps der Couriere des Czaaren gehoerte?
Michael Strogoff sprach kein Wort.
"Michael! rief seine Mutter.
-- Wer sind Sie, geehrte Dame? fragte Michael Strogoff, der die Worte mehr
hervorstammelte als aussprach.
-- Wer ich bin? Das fragst Du? Mein Kind, erkennst Du Deine Mutter nicht
mehr wieder?
-- Sie taeuschen sich! ... antwortete Michael Strogoff kalt, eine
Aehnlichkeit fuehrt Sie irre ...."
Die alte Marfa ging gerade auf ihn zu und stellte sich ihm Aug' in Auge
gegenueber.
"Du bist nicht Peter und Marfa Strogoff's Sohn?" sagte sie.
Michael Strogoff haette sein Leben darum gegeben, seine Mutter offen in die
Arme schliessen zu duerfen, aber wenn er nachgab, war es nicht nur um ihn,
sondern auch um sie, um seinen Auftrag, um seinen Eid geschehen! Er
bezwang sich nach Kraeften, er schloss die Augen, um nicht die angsterregten
Zuege in dem Antlitz der kindlich verehrten Mutter sehen zu muessen; er zog
seine Haende zurueck, um nicht unwillkuerlich den zitternden Haenden, die nach
ihm verlangten, zu begegnen.
"Ich weiss in der That nicht, liebe Frau, was ich aus Ihren Worten machen
soll, antwortete er, einige Schritte zurueckweichend.
-- Michael! rief noch einmal die bejahrte Mutter.
-- Ich heisse nicht Michael! Ich bin nie Ihr Sohn gewesen. Ich bin Nicolaus
Korpanoff, Kaufmann aus Irkutsk!..."
Hastig verliess er den Wartesaal, in dem noch einmal die Worte
wiedertoenten:
"Mein Sohn! Mein Sohn!"
Michael Strogoff war abgereist, so schwer es ihm wurde. Er sah seine alte
Mutter, welche bewusstlos auf einer Bank zusammen gebrochen war, fuer jetzt
nicht mehr. Gerade als der Postmeister ihr zu Hilfe eilen wollte, erhob
sich die alte Frau selbst schon wieder. In ihrem Geiste war es ploetzlich
hell geworden. Sie, - verleugnet von ihrem leiblichen Sohne, - das war
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