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vertraut geworden war, lasen wir auch in der Schule, in einer Art, die
wirklich Tadel verdiente. Haette ich zum Beispiel Hermann und Dorothea
nicht vorher gekannt, so waere mir vielleicht auf lange Zeit der Geschmack
daran verdorben gewesen durch die unbeschreiblich langweilige Behandlung,
die sich monatelang duerftig und duerr hinschleppte.
Am Ende waren unsere Lehrer auch da wieder in einer Zwickmuehle. In den
Werken unserer Dichter ist allerlei enthalten, zu dem man sich als
Erzieher nicht freudig bekennen durfte; davor warnen, hiess darauf
hinweisen, und so tat man so, als glaubte man uns, dass wir selber alles
Gefaehrdende scheu von uns abweisen wuerden. Aus einem so verdruckten Getue
kommt nie was Gescheites heraus. Natuerlich hatten wir Leute unter uns, die
wahre Entdecker von Verfaenglichkeiten waren und besonders bei Shakespeare
Stellen fanden, die sie kichernd vor dem Unterrichte und in den Pausen
ihren Vertrauten mitteilten. Vor so was schuetzt kein Verhuetungssystem,
bloss eine Erziehung zum frischen und gesunden Sinn.
Wir hatten einen Lehrer, den alten Eilles, einen Grobianus, der trotz
seines rauhen Wesens unser Liebling war und dem wir alle ueber die Schule
hinaus Verehrung bewahrten. Wenn der im Homer an eine Stelle kam, wo etwa
Odysseus sich mit Kalypso zurueckzog, dann strich er lachend seinen roten
Bart und schrie er uns zu: "Nur laut reden und nicht murmeln! Hinterher
tuschelt ihr euch doch das duemmste Zeug in die Ohren! Und er schlief bei
ihr ... jawoll! Ihr Lausbuben und Duckmaeuser!"
Mein Interesse an der deutschen Literatur bewies ich nicht bloss durch
reichlichen Ankauf von Reclambuechern und Gesamtausgaben, deren Kosten
meine gute Mutter oft mit Kopfschuetteln bestritt, sondern neben dem
uebrigens verbotenen Theaterbesuch auch dadurch, dass ich mich in die
Universitaet einschlich. Damals las Bernays ein Kolleg ueber Schiller; es
begann eine Viertelstunde nach vier Uhr, also nach Klassenschluss. Ich lief
mit zwei Freunden Trab durchs Lehel, den Hofgarten und die Ludwigstrasse
und sass dann keuchend und erhitzt auf der hintersten Bank. Dass es _per
nefas_ geschah und uns das Aussehen akademischer Buerger verlieh, war
vielleicht der staerkere Ansporn zu dem anstrengenden Hospitieren.
Bernays wirkte mit schauspielerischen Mitteln; wenn er bald fluesterte,
bald die Stimme erhob, wenn er Pausen machte und dann ein bedeutendes Wort
in die Zuhoerer schleuderte, machte er starken Eindruck u
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