te durch keine neudeutsche
Grosstat in den Schatten gestellt werden.
Wenn aber das "Regensburger Morgenblatt", das auch abends vorgelesen
wurde, einen schmerzlichen Seufzer ueber Falk, Lutz oder Bismarck brachte,
fuhr der angenetzte Blaustift groeblich uebers Papier. Da konnte es dann
auch Pausen geben, und zwischen zwei Schlucken aus der Sternecker Mass
setzte es ingrimmige Worte ueber respektabelste Persoenlichkeiten ab, bis
Tante Minna fand, dass es nun genug waere und dass man weiterlesen sollte.
Im Zimmer rueckwaerts, wo Onkel Wilhelm hauste, lebten die Erinnerungen an
Woerth, Sedan und Orleans, hier herrschten Freude am neuen Reiche und
temperierter Liberalismus.
Freilich war's auch recht gut altbayrisch, und in heroische Toene vom
wiedererstandenen Kaisertum mischten sich die anheimelnden Klaenge aus dem
alten Bockkeller, aus lustigen Muenchner Tagen, wo der Herr Leutnant Paulus
mit dem Maler Schleich und anderen Kuenstlern selig und froehlich war. Im
allgemeinen vermieden es die zwei Antipoden, besonders in meiner
Anwesenheit, auf strittige Fragen zu kommen; wenn's doch geschah, war der
Angreifer immer der Herr Postsekretaer, der auch vor mir weder seine noch
seines Gegners Wuerde zu wahren beflissen war.
Zuweilen streckte er, wenn ihm etwas missfiel, heimlich, aber unmenschlich
lang seine Zunge hinterm Masskrug heraus und schnitt Gesichter.
Ich kann mich nicht erinnern, dass ihn der alte Offizier einmal bei der
Kinderei ertappt haette, und ich huetete mich wohl, den praechtigen Onkel,
der so wundervolle Grimassen machen konnte, durch dummes Lachen zu
verraten.
Trotz des Kleinkrieges vertrugen sich die beiden Herren recht gut, und
wenn die Sprache auf vergangene Zeiten kam, fingen sie miteinander zu
schwaermen an vom Schleibinger Braeu und vom Schwaigertheater, vom sagenhaft
guten Bier und von billigen Kalbshaxen, und sie waren sich darueber einig,
dass im Kulinarischen und im Trinkbaren das goldene Zeitalter doch vor der
Kapitulation von Sedan geherrscht hatte. Und das versoehnte die Gegensaetze.
Waren damals eigentlich andere, mildere Sommertage als jetzt? Mir kommt's
so vor, als haette es bei weitem nicht so oft geregnet, denn viele Tage
hintereinander gab es Hitzvakanzen, und wochenlang gingen wir jeden Abend
auf den Bierkeller.
Onkel Wilhelm war nicht dabei; er blieb entweder zu Hause, oder er war um
die Zeit schon in Prien zur Erholung. Reisen war nicht Sache des Herrn
Postsekretaers. Noerd
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