r, war mit der Schwester des andern, eines
pensionierten Premierleutnants, verheiratet. Diese, die gute alte Tante
Minna, war der Mittelpunkt des Hausstandes, die Friedensbringerin bei
allen auftauchenden Differenzen zwischen den Herren und nebenher eine
altbayrische Chronik. Ihre Geschichten gingen zurueck in die zwanziger und
dreissiger Jahre und spielten in Freising und Altmuenchen. Sie erzaehlte
gerne und sehr anschaulich und kannte die staedtischen Familien, dazu auch
eine erkleckliche Zahl bayrischer Staatsdiener, von denen sie allerlei
Menschliches wusste, das im Gegensatze zu etwa vorhandenem Staatshochmute
stehen durfte.
Wenn der Onkel Postsekretaer abends, wie es seine Gewohnheit war, den
"Muenchner Boten" vorlas und mit einem Blaustift aergerliche Nachrichten
zornig anstrich, dann unterbrach Tante Minna nicht selten die Vorlesung
mit einer Anekdote ueber einen Gewaltigen in Bayern. "Der brauchet sich
auch net so aufmanndeln ..." Damit begann sie gewoehnlich die Erzaehlung,
und dann folgte die Geschichte eines Begebnisses, in dem der hohe Herr
schlecht abgeschnitten hatte.
Das konnte oft bis in die fruehe Jugend des Getadelten zurueckreichen, denn
die Tante hatte ein unerbittliches Gedaechtnis. Dabei war sie heiter,
wohlwollend und herzensgut und sah aus wie ein altes Muenchner Bild, mit
ihren in der Mitte gescheitelten Haaren, auf denen eine kleine Florhaube
sass. Sie hielt den kleinen, aber behaebigen Haushalt in bester Ordnung und
liess in ihrer heiteren und doch resoluten Art keine Verstimmung andauern,
die sich zuweilen einstellte, denn die zwei Onkels repraesentierten zwei
verschiedene Welten. Der Postsekretaer hatte - schon anfangs der dreissiger
Jahre - in Muenchen Jura studiert, war aber vor dem Examen zur Post
gegangen und hatte zuletzt als Sekretaer in Regensburg amtiert. Der
Premierleutnant hatte die Feldzuege mitgemacht, war nach siebzig krank
geworden und hatte den Dienst quittiert.
Vorne, wo Onkel Joseph, der Sekretaer, sein Zimmer hatte, war's ganz
altbayrisch, partikularistisch, katholisch. Sechsundsechzig und was
nachher kam, Reichsgruendung, Liberalismus um und um, Kulturkampf, alles
wurde als Untergang der guten, alten Zeit betrachtet. Hier bildeten
Kindererinnerungen an Max Joseph, der das Soehnchen des Burghauser
Landrichters getaetschelt hatte, das Allerheiligste, und eine
Studentenerinnerung an Ludwig I., der den Kandidaten Joseph Maier im
Englischen Garten angesprochen hatte, konn
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