dem er
mich als Verlorenen behandelte und in einer Weise blossstellte, die sich
nicht fuer ihn ziemte.
Ich trug wochenlang einen herzlich dummen Brief an jenen Backfisch in
einem Schulbuche herum, immer mit der Absicht, ihn zu ueberreichen, wozu
mir stets wieder der Mut fehlte.
Eines Tages erwischte mein Ordinarius den Brief, uebergab ihn dem Rektor,
und dieser sonderbare Freund der Jugend, der zufaellig wusste, dass ich von
einer angesehenen Familie zuweilen eingeladen wurde, schrieb an sie und
behauptete, ich haette an die juengere Tochter des Hauses diesen
unziemlichen Brief gerichtet.
Es war unwahr, und ich wehrte mich leidenschaftlich gegen die Anklage,
aber es half mir nichts; die Mama war indigniert, und der Papa gab mir
jovial zu verstehen, dass man mich nicht mehr einladen koenne.
Damals habe ich mich ein paar Tage lang mit Selbstmordgedanken getragen,
und ich glaube, dass ich nahe genug daran war, die Torheit zu begehen.
Ein erfahrener Mann haette wahrhaftig in der Unbeholfenheit des Briefes
knabenhafte Bloedigkeit erblicken muessen und alles andere eher als Routine
und Verdorbenheit.
Der einzige, der damals fuer mich eintrat, war der Religionslehrer, der
ueber die gedrechselten Phrasen, die ich an das sehr geehrte Fraeulein
gerichtet hatte, gelaechelt haben soll. Er merkte, wie verstoert ich war,
und sprach mich daraufhin an; schon das wirkte als etwas Ungewoehnliches
auf mich, und als mir der strenge und zurueckhaltende Mann mit freundlichen
Worten zu verstehen gab, dass er mir glaubte, kam ich darueber weg.
Das Erlebnis gilt mir heute noch als Beweis dafuer, wie schwer sich
Unverstaendnis und Uebelwollen an der Jugend versuendigen koennen.
Ich habe spaeter aus Ferne und Naehe Schuelerselbstmorde erlebt und
gewoehnlich recht toerichte Urteile darueber gehoert; selten fand ich
Verstaendnis fuer die Wahrheit, dass roher Eingriff und grobes Unrecht gerade
jugendlichen Gemuetern unertraeglich erscheinen koennen.
Sehr drueckend empfand ich es damals, dass ich bei den Mitschuelern wenig
oder kein Verstaendnis fuer meinen Schmerz fand; eher beifaellige Zustimmung
zu der Verfehlung, die ich gar nicht begangen hatte, schlaues Misstrauen
gegen meine Verteidigung, aber kaum Billigung des leidenschaftlichen
Zornes, mit dem ich mich gegen das Unrecht wehrte.
Ich darf sagen, dass lauter halb und ganz fertige, ihr eigenes Heil und
ihren Nutzen kennende Spiessbuerger um mich herum auf den Schulbaenken sa
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