sich bedeutender gab, als es war, bot ihm reichliche Gelegenheit zum
Spotte; wenn er sich zuweilen mit uebertriebener Bescheidenheit in der
Torggelstube zu den Unsterblichen setzte, mit schuechternen Fragen
Belehrungen anregte, ahnten die Gecken nicht, wie sehr sie die Gefoppten
waren. Auch nicht, wie gruendlich sie der harmlose Kuenstler durchschaute,
und wie er ihre unmaennliche Art verabscheute.
Sein ernsthaftes Wesen, das sich frei von Vorurteilen und Schulmeinungen
in selbstgedachten Gedanken zeigte, trat sogleich hervor, wenn er ueber
wirkliches Koennen urteilte.
Er ging immer auf das Wesentliche ein und vermied auch Grossem gegenueber
die Banalitaet des Superlatives.
Ein hoher Genuss, der bleibende Erinnerungen zurueckliess, war es, ihn ueber
ein gutes Bild reden zu hoeren; es war nichts von Schulmeisterei, die
klassifiziert und Zusammenhaenge beweist, darin, es war bei aller
Zurueckhaltung die Meinung des grossen Koenners, dem tief verborgene,
unbewusste Vorgaenge des Schaffens klar vor Augen standen.
Auch ueber Buecher habe ich nicht leicht jemand so gut urteilen hoeren wie
Rudolf Wilke; er las gerne und mit Auswahl, am liebsten gute Memoiren, die
eine vergangene Zeit zum Leben erweckten; an die Freude, die er ueber
Platons "Laches" empfand, erinnere ich mich gerne.
Die ehrliche Gescheitheit des Sokrates, der jeden Begriff ins kleinste
zerlegt und sein Eigentliches herausschaelt, der nie blosse Worte gelten
laesst, keiner Schwierigkeit ausweicht, der nichts sich in den Nebel der
Redensarten verlieren laesst, entzueckte ihn, und gleich stand ihm der kluge
Athenienser plastisch vor Augen, der sich von braven Spiessbuergern zuerst
hergebrachte Meinungen vortragen laesst, um sie dann bloss durch Fragen zu
der unerquicklichen Erkenntnis zu bringen, dass sie weder etwas wirklich
geglaubt, noch sich etwas gedacht hatten.
Er stellte Betrachtungen darueber an, wie uns heute die Kunst des geraden
Denkens, aber auch das Verlangen danach durch die verfluchte Phrase
verlorengegangen sei, und eifrig las er mir nach ein paar Seiten aus
"Laches" Proben aus dem Zarathustra vor, um daran zu zeigen, wie hoch wir
das Spielen mit Worten und Stimmungen einschaetzen. Natuerlich sah Wilke als
Maler nur in der echten Schilderung menschlicher Charaktere und der sich
daraus folgerichtig aufbauenden Geschehnisse schriftstellerische Werte,
und das Kokettieren mit hintersinnigen Gedanken und Weltschmerzen fuehrte
er auf kuenstler
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