lassen.
Das Theaterwesen in Wien war, wie ich damals und spaeter bemerken konnte,
recht verschieden von dem Berlinischen. Das Ausleihen der Schauspieler,
das Starsystem, das Setzen auf Saisonschlager und Serienspiel gab es
nicht; um illustre Direktoren und Regietalente kuemmerte man sich weniger
als um die Kuenstler, von denen jeder bekanntere eine grosse Gemeinde hatte.
Die hoechste Verehrung genoss neben Girardi mit Recht der alte _Baumeister_
am Burgtheater, der mich als Richter von Zalamea verstehen lehrte, wie
hoch die feine, diskrete Schauspielkunst einer frueheren Zeit gestanden
hatte.
_Schlenther_, einst Bahnbrecher der Moderne und strenger Kritiker,
Ostpreusse und gar nicht auf Wien zugeschnitten, war als
Burgtheater-Direktor in einer falschen Lage, was ihm auch haeufig von den
Zeitungen bestaetigt wurde.
Die einst nachdruecklich betonten Prinzipien und Lehrsaetze konnte er nicht
verwirklichen; kaum etwas von dem, was er verlangt hatte, konnte er selbst
erfuellen.
Zwischen Untunlichkeiten und Ruecksichten war er eingeklemmt. Dabei musste
er die Empfindung haben, dass er Usurpator war oder Platzhalter. Denn der
richtige, echte Burgtheater-Direktor sass in Hamburg, Herr von _Berger_,
und es war bloss eine Frage der Zeit, wann er seinen Einzug halten und den
falschen Waldemar entthronen wuerde.
Ich glaube, dass Schlenther herzlich froh war, als er wieder als P. S. mit
Strenge seines Amtes walten und als Kritiker den Direktoren zeigen konnte,
was der Direktor den Kritikern nicht hatte zeigen duerfen. Damals aber
musste er immer wieder die duestere Frage anhoeren, was er mit dem Geiste des
alten Burgtheaters angefangen habe.
Er hat ihn wirklich nicht verscheucht, allerdings er hat ihn auch nicht
herzitiert.
Der Gute blieb verschwunden; irgendwas im neuen Wien missfiel ihm so, dass
er nicht mehr darin umgehen mochte. Vielleicht hat ihn das neue Haus
vertrieben, vielleicht der Operettenbloedsinn; jedenfalls, er kam nicht
wieder, und auch an die Nachfolger Schlenthers, den echten Thronerben
nicht ausgenommen, musste die peinliche Frage gestellt werden.
Wien war fuer uns Sueddeutsche noch immer die Hauptstadt geblieben, der Sitz
der Freude, des Reichtums, des Wohllebens, das Ziel der Wuensche.
Auch meine Phantasie hatte die Stadt mit Reizen geschmueckt, und oft hatte
ich mich hingetraeumt, wenn ich als Rechtspraktikant auf dem Traunsteiner
Bahnhof stand und in den eleganten Kupees Reisende auf schwe
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