Ein einzig Wort: Erlaubt ist was sich ziemt.
Tasso.
O wenn aus guten, edlen Menschen nur
Ein allgemein Gericht bestellt entschiede,
Was sich denn ziemt! Anstatt dass jeder glaubt,
Es sei auch schicklich, was ihm nuetzlich ist.
Wir sehn ja, dem Gewaltigen, dem Klugen
Steht alles wohl, und er erlaubt sich alles.
Prinzessin.
Willst du genau erfahren, was sich ziemt,
So frage nur bei edlen Frauen an.
Denn ihnen ist am meisten dran gelegen,
Dass alles wohl sich zieme, was geschieht.
Die Schicklichkeit umgibt mit einer Mauer
Das zarte, leicht verletzliche Geschlecht.
Wo Sittlichkeit regiert, regieren sie,
Und wo die Frechheit herrscht, da sind sie nichts.
Und wirst du die Geschlechter beide fragen:
Nach Freiheit strebt der Mann, das Weib nach Sitte.
Tasso.
Du nennest uns unbaendig, roh, gefuehllos?
Prinzessin.
Nicht das! Allein ihr strebt nach fernen Guetern,
Und euer Streben muss gewaltsam sein.
Ihr wagt es, fuer die Ewigkeit zu handeln,
Wenn wir ein einzig nah beschraenktes Gut
Auf dieser Erde nur besitzen moechten,
Und wuenschen, dass es uns bestaendig bleibe.
Wir sind von keinem Maennerherzen sicher,
Das noch so warm sich einmal uns ergab.
Die Schoenheit ist vergaenglich, die ihr doch
Allein zu ehren scheint. Was uebrig bleibt,
Das reizt nicht mehr, und was nicht reizt, ist tot.
Wenn's Maenner gaebe, die ein weiblich Herz
Zu schaetzen wuessten, die erkennen moechten,
Welch einen holden Schatz von Treu' und Liebe
Der Busen einer Frau bewahren kann;
Wenn das Gedaechtnis einzig schoener Stunden
In euren Seelen lebhaft bleiben wollte;
Wenn euer Blick, der sonst durchdringend ist,
Auch durch den Schleier dringen koennte, den
Uns Alter oder Krankheit ueberwirft;
Wenn der Besitz, der ruhig machen soll,
Nach fremden Guetern euch nicht luestern machte:
Dann waer' uns wohl ein schoener Tag erschienen,
Wir feierten dann unsre goldne Zeit.
Tasso.
Du sagst mir Worte, die in meiner Brust
Halb schon entschlafne Sorgen maechtig regen.
Prinzessin.
Was meinst du, Tasso? Rede frei mit mir.
Tasso.
Oft hoert' ich schon, und diese Tage wieder
Hab' ich's gehoert, ja haett' ich's nicht vernommen,
So muesst' ich's denken: Edle Fuersten streben
Nach deiner Hand! Was wir erwarten muessen,
Das fuerchten wir und moechten schier verzweifeln,
Verlassen wirst du uns, es ist natuerlich;
Doch wie wir's tragen wollen, weiss ich nicht.
Prinzessin.
Fuer diesen Augenblick seid unbesorgt!
Fast moecht' ich sagen: Unbesorg
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