ze fruehere Energie durchklingen liess.
-- Du besitzest aber jenen Brief nicht mehr ...
-- Den Brief, den Iwan Ogareff mir raubte!... Ja wohl, doch auch das soll
mich nicht abhalten, Nadia! - Sie haben mich als Spion verurtheilt, - gut,
so werde ich handeln wie ein Spion. In Irkutsk will ich Alles sagen, was
ich gesehen, was ich gehoert habe, und, beim allmaechtigen Gott, ich schwoere
es, dass der Verraether mich noch einmal zu Gesicht bekommen soll; nur muss
ich vor ihm in Irkutsk ankommen.
-- Und doch sprichst Du von Trennung, Michael!
-- Die Nichtswuerdigen haben mir Alles gestohlen, Nadia.
-- Mir blieben noch einige Rubel und meine Augen. Ich kann fuer Dich mit
ihnen sehen und Dich dahin fuehren, wohin Du allein niemals gelangen
wuerdest.
-- Und wie sollen wir weiter reisen?
-- Zu Fuss.
-- Und wovon leben?
-- Wir betteln.
-- Nun denn, mit Gott!
-- Komm, Michael."
Die beiden jungen Leute nannten sich nicht mehr Bruder und Schwester, das
gemeinsame Unglueck kettete sie noch inniger an einander. Beide verliessen
das Haus, nachdem sie eine Stunde geruht hatten. Nadia durcheilte vorher
die Strassen des kleinen Ortes, und es war ihr geglueckt, einige Stuecken
"Tschornekhleb", d. i. eine Art Gerstenbrod, und etwas Meth, der in
Russland mit dem Namen "Meed" bezeichnet wird, zu erlangen. Beides kostete
ihr nichts, denn sie hatte sich bezwungen, als Bettlerin anzuklopfen. Das
Brod und der Meth saettigten nothduerftig Michael Strogoff's Hunger und
Durst. Nadia hatte ihm den groesseren Theil des kaerglichen Mahles
aufgenoethigt. Er ass die Brodbissen, die ihm seine Gefaehrtin einen nach dem
andern reichte; er trank aus der Kuerbisflasche, die sie an seine Lippen
setzte.
"Isst Du auch, Nadia? fragte er wiederholt.
-- Ja wohl, Michael", beruhigte ihn das junge Maedchen, waehrend es sich doch
mit den Ueberresten begnuegte.
Michael Strogoff und Nadia verliessen Semilowskoe und begaben sich wieder
auf den muehseligen Weg nach Irkutsk. Energisch widerstand das junge
Maedchen jeder Ermuedung. Haette Michael Strogoff sie gesehen, es waere ihm
wohl der Muth gesunken, weiter zu ziehen. Nadia aber beklagte sich nicht,
und da Michael Strogoff keinen leisen Seufzer hoerte, so ging er mit einer
Hast, die er selbst nicht zu zuegeln vermochte. Und warum? Durfte er
hoffen, den Tartaren zuvor zu kommen? Er war zu Fuss, ohne Geld und -
blind, und wenn Nadia, seine einzige Fuehrerin, ihm entrissen werden
sollte,
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