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Noch ehe einer die Hand ausgestreckt, flog sie wie ein Vogel ueber den
Felsenrand in die unermessliche Tiefe. Aber -- o Wunder! -- im
Stuerzen[22.5] verwandelte sie sich in einen schaeumenden Wasserfall, in
der Luft zerstaeubend, wie ein braeutlicher Schleier. Die beiden Brueder
wollten ihr nachstuerzen, konnten aber nicht, denn ihre Fuesse wurden[23.1]
Felsen, ihre Arme Felsen, ihre Herzen Stein, und so ragten sie zum
Himmel empor.
Die unglueckliche Mutter aber breitete die Arme aus und rief: "Und ich
allein soll leben! O Himmel, hast Du denn kein Erbarmen?" Und mit
ausgebreiteten Armen fiel sie zur Erde, ihre Kinder umklammernd. Und
siehe, wo sie lag, verwandelte sich alles in dichtes, weiches Moos, das
sich weiter und weiter ausbreitete und die Felsen zur Haelfte einhuellte.
So stehen sie noch und werden immer so stehen, die wilde, braeutlich
weisse Urlatoare, die opferfreudigen Soehne, die Jipi, und deren treue,
zaertliche Mutter.
III
Die Hexenburg
Wenn man im Prahovathal[24.1] hinaufgeht, so kann man Cetatea
Babei,[23.2] "die Hexenburg," nicht sehen, weil sie hinter dem
Bucegi,[24.3] liegt. Sie ragt als spitzer[24.4] Kegel empor und
scheint[24.5] mit Ruinen bedeckt; von dort bis zu den Jipi[24.6] liegt
ewiger Schnee.
Vor[24.7] langen, langen Zeiten, als noch die Woelfe[24.8] die Herden
hueteten, und Adler und Tauben bei einander nisteten, stand dort eine
stolze Burg, in der es[24.9] sehr emsig zuging. Immerfort trippelten
hundert eilige Schritte hin und her. Bei Nacht aber brannte im Turm ein
Licht und schnurrte ein maechtiges Rad, und ein merkwuerdiger, leiser
Gesang schwebte ueber dem Schnurren und schien damit Takt zu halten. Die
Leute im Thal blickten scheu hinauf und fluesterten: "Sie spinnt wieder!"
Die[24.10] aber dort oben spann, war die Herrin der Burg, eine schlimme
Zauberin, der die Bergmaennlein alles Gold aus dem Erdenschoss brachten,
damit sie fuer alle Braeute den Goldfaden[24.11] spaenne,[24.12] der am
Hochzeitstage ihre Haeupter schmueckt. Das Gold wurde in Massen bei[24.13]
ihr ausgeschuettet; sie wog und waehlte und wehe dem Bergmaennlein,
welches[24.14] das gehoerige Mass nicht gebracht; das wurde zwischen Stamm
und Rinde eines maechtigen Baumes geklemmt, bis es das letzte Koernchen
Goldes[25.1] hergegeben, oder es wurde ihm nur der Bart eingeklemmt, und
da konnte es zappeln und ach und wehe schreien, -- die Alte machte taube
Ohren.
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