en Lesern
durch mein unverhohlnes Urteil unwillig gemacht haette. Wenn ihnen
bescheidene Freiheit, bei der sich durchaus keine Nebenabsichten denken
lassen, missfaellt, so laufe ich Gefahr, sie noch oft unwillig zu machen.
Ich habe gar nicht die Absicht gehabt, ihnen die Lesung eines Dichters zu
verleiden, den ungekuenstelter Witz, viel feine Empfindung und die
lauterste Moral empfehlen. Diese Eigenschaften werden ihn jederzeit
schaetzbar machen, ob man ihm schon andere absprechen muss, zu denen er
entweder gar keine Anlage hatte, oder die zu ihrer Reife gewisse Jahre
erfordern, weit unter welchen er starb. Sein "Kodrus" ward von den
Verfassern der "Bibliothek der schoenen Wissenschaften" gekroenet, aber
wahrlich nicht als ein gutes Stueck, sondern als das beste von denen, die
damals um den Preis stritten. Mein Urteil nimmt ihm also keine Ehre, die
ihm die Kritik damals erteilet. Wenn Hinkende um die Wette laufen, so
bleibt der, welcher von ihnen zuerst an das Ziel koemmt, doch noch ein
Hinkender.
Eine Stelle in dem Epilog ist einer Missdeutung ausgesetzt gewesen, von
der sie gerettet zu werden verdienet. Der Dichter sagt:
"Bedenkt, dass unter uns die Kunst nur kaum beginnt,
In welcher tausend Quins fuer einen Garrick sind."
Quin, habe ich darwider erinnern hoeren, ist kein schlechter Schauspieler
gewesen.--Nein, gewiss nicht; er war Thomsons besonderer Freund, und die
Freundschaft, in der ein Schauspieler mit einem Dichter, wie Thomson,
gestanden, wird bei der Nachwelt immer ein gutes Vorurteil fuer seine
Kunst erwecken. Auch hat Quin noch mehr als dieses Vorurteil fuer sich:
man weiss, dass er in der Tragoedie mit vieler Wuerde gespielet; dass er
besonders der erhabenen Sprache des Milton Genuege zu leisten gewusst; dass
er, im Komischen, die Rolle des Fa1staff zu ihrer groessten Vollkommenheit
gebracht. Doch alles dieses macht ihn zu keinem Garrick; und das
Missverstaendnis liegt bloss darin, dass man annimmt, der Dichter habe diesem
allgemeinen und ausserordentlichen Schauspieler einen schlechten, und fuer
schlecht durchgaengig erkannten, entgegensetzen wollen. Quin soll hier
einen von der gewoehnlichen Sorte bedeuten, wie man sie alle Tage sieht;
einen Mann, der ueberhaupt seine Sache so gut wegmacht, dass man mit ihm
zufrieden ist; der auch diesen und jenen Charakter ganz vortrefflich
spielet, so wie ihm seine Figur, seine Stimme, sein Temperament dabei zu
Hilfe kommen. So ein Mann ist sehr brauchbar
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