leiden
haben, so haben wir es mit ihnen als mit Menschen, und nicht als mit
Koenigen. Macht ihr Stand schon oefters ihre Unfaelle wichtiger, so macht er
sie darum nicht interessanter. Immerhin moegen ganze Voelker darein
verwickelt werden; unsere Sympathie erfodert einen einzeln Gegenstand,
und ein Staat ist ein viel zu abstrakter Begriff fuer unsere Empfindungen.
"Man tut dem menschlichen Herze unrecht", sagt auch Marmontel, "man
verkennst die Natur, wenn man glaubt, dass sie Titel beduerfe, uns zu
bewegen und zu ruehren. Die geheiligten Namen des Freundes, des Vaters,
des Geliebten, des Gatten, des Sohnes, der Mutter, des Menschen
ueberhaupt: diese sind pathetischer als alles; diese behaupten ihre Rechte
immer und ewig. Was liegt daran, welches der Rang, der Geschlechtsname,
die Geburt des Ungluecklichen ist, den seine Gefaelligkeit gegen unwuerdige
Freunde und das verfuehrerische Beispiel ins Spiel verstricket, der seinen
Wohlstand und seine Ehre darueber zugrunde gerichtet, und nun im
Gefaengnisse seufzet, von Scham und Reue zerrissen? Wenn man fragt, wer er
ist; so antworte ich: er war ein ehrlicher Mann, und zu seiner Marter ist
er Gemahl und Vater; seine Gattin, die er liebt und von der er geliebt
wird, schmachtet in der aeussersten Beduerfnis und kann ihren Kindern,
welche Brot verlangen, nichts als Traenen geben. Man zeige mir in der
Geschichte der Helden eine ruehrendere, moralischere, mit einem Worte,
tragischere Situation! Und wenn sich endlich dieser Unglueckliche
vergiftet; wenn er, nachdem er sich vergiftet, erfaehrt, dass der Himmel
ihn noch retten wollen: was fehlet diesem schmerzlichen und
fuerchterlichen Augenblicke, wo sich zu den Schrecknissen des Todes
marternde Vorstellungen, wie gluecklich er habe leben koennen, gesellen;
was fehlt ihm, frage ich, um der Tragoedie wuerdig zu sein? Das Wunderbare,
wird man antworten. Wie? Findet sich denn nicht dieses Wunderbare
genugsam in dem ploetzlichen Uebergange von der Ehre zur Schande, von der
Unschuld zum Verbrechen, von der suessesten Ruhe zur Verzweiflung; kurz, in
dem aeussersten Ungluecke, in das eine blosse Schwachheit gestuerzet?"
Man lasse aber diese Betrachtungen den Franzosen, von ihren Diderots und
Marmontels, noch so eingeschaerft werden: es scheint doch nicht, dass das
buergerliche Trauerspiel darum bei ihnen besonders in Schwang kommen
werde. Die Nation ist zu eitel, ist in Titel und andere aeusserliche
Vorzuege zu verliebt; bis auf den gem
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