wollen nichtswuerdige Handlungen, dergleichen die Vertauschung einer
Tochter ist, durchaus nicht lassen.
Den eilften Abend (mittewochs, den 6. Mai) ward "Miss Sara Sampson"
aufgefuehret.
Man kann von der Kunst nichts mehr verlangen, als was Madame Henseln in
der Rolle der Sara leistet, und das Stueck ward ueberhaupt sehr gut
gespielet. Es ist ein wenig zu lang, und man verkuerzt es daher auf den
meisten Theatern. Ob der Verfasser mit allen diesen Verkuerzungen so recht
zufrieden ist, daran zweifle ich fast. Man weiss ja, wie die Autores sind;
wenn man ihnen auch nur einen Nietnagel nehmen will, so schreien sie
gleich: Ihr kommt mir ans Leben! Freilich ist der uebermaessigen Laenge eines
Stuecks durch das blosse Weglassen nur uebel abgeholfen, und ich begreife
nicht, wie man eine Szene verkuerzen kann, ohne die ganze Folge des
Dialogs zu aendern. Aber wenn dem Verfasser die fremden Verkuerzungen nicht
anstehen; so mache er selbst welche, falls es ihm der Muehe wert duenket
und er nicht von denjenigen ist, die Kinder in die Welt setzen, und auf
ewig die Hand von ihnen abziehen.
Madame Henseln starb ungemein anstaendig; in der malerischsten Stellung;
und besonders hat mich ein Zug ausserordentlich ueberrascht. Es ist eine
Bemerkung an Sterbenden, dass sie mit den Fingern an ihren Kleidern oder
Betten zu rupfen anfangen. Diese Bemerkung machte sie sich auf die
gluecklichste Art zu nutze; in dem Augenblicke, da die Seele von ihr wich,
aeusserte sich auf einmal, aber nur in den Fingern des erstarrten Armes,
ein gelinder Spasmus; sie kniff den Rock, der um ein weniges erhoben ward
und gleich wieder sank: das letzte Aufflattern eines verloeschenden
Lichts; der juengste Strahl einer untergehenden Sonne.--Wer diese Feinheit
in meiner Beschreibung nicht schoen findet, der schiebe die Schuld auf
meine Beschreibung; aber er sehe sie einmal!
Vierzehntes Stueck
Den 16. Junius 1767
Das buergerliche Trauerspiel hat an dem franzoesischen Kunstrichter,
welcher die "Sara" seiner Nation bekannt gemacht,[1] einen sehr
gruendlichen Verteidiger gefunden. Die Franzosen billigen sonst selten
etwas, wovon sie kein Muster unter sich selbst haben.
Die Namen von Fuersten und Helden koennen einem Stuecke Pomp und Majestaet
geben; aber zur Ruehrung tragen sie nichts bei. Das Unglueck derjenigen,
deren Umstaende den unsrigen am naechsten kommen, muss natuerlicherweise am
tiefsten in unsere Seele dringen; und wenn wir mit Koenigen Mit
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