t, sondern was ein jeder Mensch von einem
gewissen Charakter unter gewissen gegebenen Umstaenden tun werde. Die
Absicht der Tragoedie ist weit philosophischer, als die Absicht der
Geschichte; und es heisst sie von ihrer wahren Wuerde herabsetzen, wenn man
sie zu einem blossen Panegyrikus beruehmter Maenner macht, oder sie gar den
Nationa1stolz zu naehren missbraucht.
Die zweite Erinnerung des naemlichen franzoesischen Kunstrichters gegen die
"Zelmire" des Du Belloy ist wichtiger. Er tadelt, dass sie fast nichts als
ein Gewebe mannigfaltiger wunderbarer Zufaelle sei, die in den engen Raum
von vierundzwanzig Stunden zusammengepresst, aller Illusion unfaehig
wuerden. Eine seltsam ausgesparte Situation ueber die andere! ein
Theaterstreich ueber den andern! Was geschieht nicht alles! was hat man
nicht alles zu behalten! Wo sich die Begebenheiten so draengen, koennen
schwerlich alle vorbereitet genug sein. Wo uns so vieles ueberrascht, wird
uns leicht manches mehr befremden, als ueberraschen. "Warum muss sich z.E.
der Tyrann dem Rhamnes entdecken? Was zwingt den Antenor, ihm seine
Verbrechen zu offenbaren? Faellt Ilus nicht gleichsam vom Himmel? Ist die
Gemuetsaenderung des Rhamnes nicht viel zu schleunig? Bis auf den
Augenblick, da er den Antenor ersticht, nimmt er an den Verbrechen seines
Herrn auf die entschlossenste Weise teil; und wenn er einmal Reue zu
empfinden geschienen, so hatte er sie doch sogleich wieder unterdrueckt.
Welch geringfuegige Ursachen gibt hiernaechst der Dichter nicht manchmal
den wichtigsten Dingen! So muss Polydor, wenn er aus der Schlacht koemmt
und sich wiederum in dem Grabmale verbergen will, der Zelmire den Ruecken
zukehren, und der Dichter muss uns sorgfaeltig diesen kleinen Umstand
einschaerfen. Denn wenn Polydor anders ginge, wenn er der Prinzessin das
Gesicht, anstatt den Ruecken zuwendete: so wuerde sie ihn erkennen, und die
folgende Szene, wo diese zaertliche Tochter unwissend ihren Vater seinen
Henkern ueberliefert, diese so vorstechende, auf alle Zuschauer so grossen
Eindruck machende Szene fiele weg. Waere es gleichwohl nicht weit
natuerlicher gewesen, wenn Polydor, indem er wieder in das Grabmal
fluechtet, die Zelmire bemerkt, ihr ein Wort zugerufen oder auch nur einen
Wink gegeben haette? Freilich waere es so natuerlicher gewesen, als dass die
ganzen letzten Akte sich nunmehr auf die Art, wie Polydor geht, ob er
seinen Ruecken dahin oder dorthin kehret, gruenden muessen. Mit dem Billet
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