er waechset, je laenger sie dauert:
so kann auch ihr Durst nach Rache nie erloeschen, die sie spat oder frueh,
immer mit gleichem Grimme, vollziehen wird. Gerade so ist die Rache der
Kleopatra beim Corneille; und die Misshelligkeit, in der diese Rache also
mit ihrem Charakter stehet, kann nicht anders als aeusserst beleidigend
sein. Ihre stolzen Gesinnungen, ihr unbaendiger Trieb nach Ehre und
Unabhaengigkeit, lassen sie uns als eine grosse, erhabne Seele betrachten,
die alle unsere Bewunderung verdienet. Aber ihr tueckischer Groll; ihre
haemische Rachsucht gegen eine Person, von der ihr weiter nichts zu
befuerchten stehet, die sie in ihrer Gewalt hat, der sie, bei dem
geringsten Funken von Edelmute, vergeben muesste; ihr Leichtsinn, mit dem
sie nicht allein selbst Verbrechen begeht, mit dem sie auch andern die
unsinnigsten so plump und geradehin zumutet: machen sie uns wiederum so
klein, dass wir sie nicht genug verachten zu koennen glauben. Endlich muss
diese Verachtung notwendig jene Bewunderung aufzehren, und es bleibt in
der ganzen Kleopatra nichts uebrig, als ein haessliches, abscheuliches Weib,
das immer sprudelt und raset, und die erste Stelle im Tollhause verdienet.
Aber nicht genug, dass Kleopatra sich an Rodogunen raechet: der Dichter
will, dass sie es auf eine ganz ausnehmende Weise tun soll. Wie faengt er
dieses an? Wenn Kleopatra selbst Rodogunen aus dem Wege schafft, so ist
das Ding viel zu natuerlich: denn was ist natuerlicher, als seine Feindin
hinzurichten? Ginge es nicht an, dass zugleich eine Liebhaberin in ihr
hingerichtet wuerde? Und dass sie von ihrem Liebhaber hingerichtet wuerde?
Warum nicht? Lasst uns erdichten, dass Rodogune mit dem Demetrius noch
nicht voellig vermaehlet gewesen; lasst uns erdichten, dass nach seinem Tode
sich die beiden Soehne in die Braut des Vaters verliebt haben; lasst uns
erdichten, dass die beiden Soehne Zwillinge sind, dass dem aeltesten der
Thron gehoeret, dass die Mutter es aber bestaendig verborgen gehalten,
welcher von ihnen der aelteste sei; lasst uns erdichten, dass sich endlich
die Mutter entschlossen, dieses Geheimnis zu entdecken, oder vielmehr
nicht zu entdecken, sondern an dessen Statt denjenigen fuer den aeltesten
zu erklaeren und ihn dadurch auf den Thron zu setzen, welcher eine gewisse
Bedingung eingehen wolle; lasst uns erdichten, dass diese Bedingung der Tod
der Rodogune sei. Nun haetten wir ja, was wir haben wollten: beide Prinzen
sind in Rodogunen ster
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