einigen geben. Er muss sie nicht in ihrer Alltagskleidung, in der
schmutzigen Nachlaessigkeit auf das Theater bringen, in der sie innerhalb
ihren vier Pfaehlen herumtraeumen. Sie muessen nichts von der engen Sphaere
kuemmerlicher Umstaende verraten, aus der sich ein jeder gern herausarbeiten
will. Er muss sie aufputzen; er muss ihnen Witz und Verstand leihen, das
Armselige ihrer Torheiten bemaenteln zu koennen; er muss ihnen den Ehrgeiz
geben, damit glaenzen zu wollen.
"Ich weiss gar nicht", sagte eine von meinen Bekanntinnen, "was das fuer
ein Paar zusammen ist, dieser Herr Stephan und diese Frau Stephan! Herr
Stephan ist ein reicher Mann und ein guter Mann. Gleichwohl muss seine
geliebte Frau Stephan um eine lumpige Andrienne so viel Umstaende machen!
Wir sind freilich sehr oft um ein Nichts krank; aber doch um ein so gar
grosses Nichts nicht. Eine neue Andrienne! Kann sie nicht hinschicken, und
ausnehmen lassen, und machen lassen? Der Mann wird ja wohl bezahlen; und
er muss ja wohl."
"Ganz gewiss!" sagte eine andere. "Aber ich habe noch etwas zu erinnern.
Der Dichter schrieb zu den Zeiten unserer Muetter. Eine Andrienne! Welche
Schneidersfrau traegt denn noch eine Andrienne? Es ist nicht erlaubt, dass
die Aktrice hier dem guten Manne nicht ein wenig nachgeholfen! Konnte sie
nicht Roberonde, Benedictine, Respectueuse"--(ich habe die andern Namen
vergessen, ich wuerde sie auch nicht zu schreiben wissen)--"dafuer sagen!
Mich in einer Andrienne zu denken; das allein koennte mich krank machen.
Wenn es der neueste Stoff ist, wornach Madame Stephan lechzet, so muss es
auch die neueste Tracht sein. Wie koennen wir es sonst wahrscheinlich
finden, dass sie darueber krank geworden?"
"Und ich", sagte eine dritte (es war die gelehrteste), "finde es sehr
unanstaendig, dass die Stephan ein Kleid anzieht, das nicht auf ihren Leib
gemacht worden. Aber man sieht wohl, was den Verfasser zu dieser--wie
soll ich es nennen?--Verkennung unserer Delikatesse gezwungen hat. Die
Einheit der Zeit! Das Kleid musste fertig sein; die Stephan sollte es noch
anziehen; und in vierundzwanzig Stunden wird nicht immer ein Kleid
fertig. Ja, er durfte sich nicht einmal zu einem kleinen Nachspiele
vierundzwanzig Stunden gar wohl erlauben. Denn Aristoteles sagt"--Hier
ward meine Kunstrichterin unterbrochen.
Den neunundzwanzigsten Abend (mittewochs, den 3. Junius) ward nach der
"Melanide" des de la Chaussee "Der Mann nach der Uhr, oder der
ordentliche
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