, dass der deutsche Geschmack
dieses so haben will? Wir machen dergleichen Verkuerzung mit mehrern
Stuecken: aber warum machen wir sie? Wollen wir denn im Ernst, dass sich
ein Trauerspiel wie ein Epigramm schliessen soll? Immer mit der Spitze des
Dolchs, oder mit dem letzten Seufzer des Helden? Woher koemmt uns
gelassenen, ernsten Deutschen die flatternde Ungeduld, sobald die
Exekution vorbei, durchaus nun weiter nichts hoeren zu wollen, wenn es
auch noch so wenige, zur voelligen Rundung des Stuecks noch so
unentbehrliche Worte waeren? Doch ich forsche vergebens nach der Ursache
einer Sache, die nicht ist. Wir haetten kalt Blut genug, den Dichter bis
ans Ende zu hoeren, wenn es uns der Schauspieler nur zutrauen wollte. Wir
wuerden recht gern die letzten Befehle des grossmuetigen Sultans vernehmen;
recht gern die Bewunderung und das Mitleid des Nerestan noch teilen: aber
wir sollen nicht. Und warum sollen wir nicht? Auf dieses warum weiss ich
kein darum. Sollten wohl die Orosmansspieler daran schuld sein? Es waere
begreiflich genug, warum sie gern das letzte Wort haben wollten.
Erstochen und geklatscht! Man muss Kuenstlern kleine Eitelkeiten verzeihen.
Bei keiner Nation hat die "Zaire" einen schaerfern Kunstrichter gefunden,
als unter den Hollaendern. Friedrich Duim, vielleicht ein Anverwandter des
beruehmten Akteurs dieses Namens auf dem Amsterdamer Theater, fand so viel
daran auszusetzen, dass er es fuer etwas Kleines hielt, eine bessere zu
machen. Er machte auch wirklich eine--andere[2], in der die Bekehrung
der Zaire das Hauptwerk ist, und die sich damit endet, dass der Sultan
ueber seine Liebe sieget und die christliche Zaire mit aller der Pracht in
ihr Vaterland schicket, die ihrer vorgehabten Erhoehung gemaess ist; der
alte Lusignan stirbt vor Freuden. Wer ist begierig, mehr davon zu wissen?
Der einzige unverzeihliche Fehler eines tragischen Dichters ist dieser,
dass er uns kalt laesst; er interessiere uns und mache mit den kleinen
mechanischen Regeln, was er will. Die Duime koennen wohl tadeln, aber den
Bogen des Ulysses muessen sie nicht selber spannen wollen. Dieses sage ich
darum, weil ich nicht gern zurueck, von der misslungenen Verbesserung auf
den Ungrund der Kritik geschlossen wissen moechte. Duims Tadel ist in
vielen Stuecken ganz gegruendet; besonders hat er die Unschicklichkeiten,
deren sich Voltaire in Ansehung des Orts schuldig macht, und das
Fehlerhafte in dem nicht genugsam motivierten Auftreten und
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