allein aufs Schloss begeben, um ihr Enkelkind zu sehen.
"Sie haben der Magd doch nicht gesagt, dass ich kommen wuerde? Sie weiss
nichts von meinem Hiersein?" schloss sie fragend; und nachdem Hanne dies
verneint hatte, nahm sie Abschied und richtete ihre Schritte ueber den
Hof nach dem Herrenhause.
Tief herabstimmend waren die Eindruecke, die sie dabei empfing. Was Brix
ihr gemeldet hatte, blieb noch weit hinter der Beschreibung zurueck.
Eine voellige Verwahrlosung trat ihr entgegen, wohin sie das Auge wandte,
und insbesondere bei dem Anblick des vernachlaessigten Herrenhauses
traten Frau von Tressen unwillkuerlich die Thraenen in die Augen.
Als sie den Flur beschritt, zeigte sich niemand; Kaelte, Oede und Kargheit
wehten sie an, das Haus war wie ausgestorben; auch fand sie die Thuer zur
Linken geschlossen. Erst als sie dann zur Rechten pochte, erschien die
Kindesmagd mit dem kranken, mageren, abgezehrten Knaben auf dem Arm und
machte sehr erstaunte Augen, ploetzlich eine elegant gekleidete Dame vor
sich zu sehen.
Frau von Tressen aber sah weder ihre fragenden Mienen, noch hoerte sie
auf ihre Worte; sie flog auf den Kleinen zu, blickte ihn voll zehrenden
Mitleids an, streichelte und herzte ihn, von tiefer Ruehrung ergriffen,
immer von neuem und nahm ihn zulegt aus den Haenden des Maedchens und
drueckte ihn weinend an die Brust.
"Mein Kind--mein suesses, liebes Kind--" schluchzte die Frau.
Ihr war bei dem Anblick, als sei Grete noch einmal geboren, als habe
sie, wie einst, ihr eigenes Kind in den Armen. Und lassen konnte sie es
nicht wieder. Es war undenkbar!
Sie sprach auf die Magd ein, sie erklaerte ihr, wer sie sei, welche
Anrechte sie an den Kleinen habe, welche Qual sie erduldet, und welche
Verantwortung auf ihr laste, da sie nun ihres Kindes Kind so blass, mager
und krank vor sich sehe.
Sie solle mit ihr gehen, in ihren Dienst treten; keine Nachteile, nur
Vorteile folgten ihr daraus erwachsen, und jetzt gleich wolle sie sie
belohnen. Ihr Schwiegersohn werde unter solchen Umstaenden ihr Verhalten
gutheissen!
Fuer die Wirtschafterin werde sie einen Brief zuruecklassen und ihr darin
alles erklaeren. Sie werde sagen, dass sie sie gezwungen habe, ihr zu
folgen.
Zu Frau von Tressens freudiger Ueberraschung machte die Magd keine
erheblichen Einwendungen. Entweder fuehlte sie Mitleid mit der Frau und
dem Kinde, oder sie wuenschte selbst, Holzwerder zu verlassen. Die
Langeweile drueckte sie, und da 'di
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