gewagt hat.
Im Hafen von Encaramada trafen wir Caraiben aus Panapana. Es war ein
Cazike, der in seiner Pirogue zum beruehmten Schildkroeteneierfang den Fluss
hinausging. Seine Pirogue war gegen den Boden zugerundet wie ein *Bongo*
und fuehrte ein kleineres Canoe, _'Curiara'_ genannt, mit sich. Er sass
unter einer Art Zelt (_Toldo_), das, gleich dem Segel, aus Palmblaettern
bestand. Sein kalter, einsylbiger Ernst, die Ehrerbietung, die die
Seinigen ihm bezeugten, Alles zeigte, dass man einen grossen Herrn vor sich
hatte. Der Cazike trug sich uebrigens ganz wie seine Indianer; alle waren
nackt, mit Bogen und Pfeilen bewaffnet und mit *Onoto*, dem Farbestoff des
Rocou, bemalt. Haeuptling, Dienerschaft, Geraethe, Fahrzeug, Segel, Alles
war roth angestrichen. Diese Caraiben sind Menschen von fast athletischem
Wuchs; sie schienen uns weit hoeher gewachsen als die Indianer, die wir
bisher gesehen. Ihre glatten, dichten, auf der Stirne wie bei den
Chorknaben verschnittenen Haare, ihre schwarz gefaerbten Augenbrauen, ihr
finsterer und doch lebhafter Blick gaben ihrem Gesichtsausdruck etwas
ungemein Hartes. Wir hatten bis jetzt nur in den Cabineten in Europa ein
paar Caraibenschaedel von den Antillen gesehen und waren daher ueberrascht,
dass bei diesen Indianern von reinem Blute die Stirne weit gewoelbter war,
als man sie uns beschrieben. Die sehr grossen, aber ekelhaft schmutzigen
Weiber trugen ihre kleinen Kinder auf dem Ruecken. Die Ober- und
Unterschenkel der Kinder waren in gewissen Abstaenden mit breiten Binden
aus Baumwollenzeug eingeschnuert. Das Fleisch unter den Binden wird stark
zusammengepresst und quillt in den Zwischenraeumen heraus. Die Caraiben
verwenden meist auf ihr Aeusseres und ihren Putz so viel Sorgfalt, als
nackte und roth bemalte Menschen nur immer koennen. Sie legen bedeutenden
Werth auf gewisse Koerperformen, und eine Mutter wuerde gewissenloser
Gleichgueltigkeit gegen ihre Kinder beschuldigt, wenn sie ihnen nicht durch
kuenstliche Mittel die Waden nach der Landessitte formte. Da keiner unserer
Indianer vom Apure caraibisch sprach, konnten wir uns beim Caziken von
Panapana nicht nach den Lagerplaetzen erkundigen, wo man in dieser
Jahreszeit auf mehreren Inseln im Orinoco zum Sammeln der Schildkroeteneier
zusammenkommt.
Bei Encaramada trennt eine sehr lange Insel den Strom in zwei Arme. Wir
uebernachteten in einer Felsenbucht, gegenueber der Einmuendung des Rio
Cabullare, zu dem der Payara und der Atam
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