e junge Reisende war, so weit man das vor dem faltigen Pelze, den sie
trug, erkennen konnte, gross und schlank. Obwohl sie noch im vollen Sinne
des Wortes als "ein sehr junges, unschuldiges Kind" erschien, so war doch
ihre Stirn gut entwickelt und die bestimmte Form der unteren Partien des
Gesichtes liess auf eine ungewoehnliche Energie schliessen, - Einzelheiten,
welche Michael Strogoff nicht entgingen. Offenbar hatte das junge Maedchen
frueher schon manches gelitten und auch die Zukunft schien ihr nicht in
rosigem Lichte zu winken; aber ebenso sicher hatte sie gegen die
Widerwaertigkeiten des Lebens sowohl anzukaempfen gewusst, als sie die
Entschlossenheit besass, es auch in Zukunft zu thun. Ihre Willenskraft
schien ebenso lebhaft als ausdauernd zu sein, ihre Ruhe unerschuetterlich,
vielleicht selbst unter Umstaenden, welche einen Mann in Verlegenheit
gebracht haetten.
Diesen Eindruck erweckte das junge Maedchen auf den ersten Blick. Michael
Strogoff, selbst ein energischer Charakter, musste sich von einer solchen
Erscheinung getroffen fuehlen und beobachtete, bei aller Vorsicht, sie
dadurch nicht zu belaestigen, seine Nachbarin doch mit einer gewissen
Aufmerksamkeit.
Die Kleidung der jungen Reisenden zeichnete sich durch die groesste
Einfachheit und Sauberkeit aus. Von reichem Herkommen konnte sie offenbar
nicht sein; aber man haette vergeblich nach einer Spur von Nachlaessigkeit
an ihr gesucht. Ihr ganzes Gepaeck barg jene rothe Tasche, die sie aus
Mangel an Platz auf den Knieen hielt.
Sie trug einen langen, aermellosen Pelz von dunkelbrauner Farbe, der sich
mit einem blauen Saume anmuthig um ihren Hals schloss. Unter demselben
bedeckte eine ebenfalls dunkelfarbige Tunica das bis zum Fussgelenk
reichende Kleid, dessen unterer Saum wiederum mit wenig auffaelliger
Stickerei geziert war. Lederne Halbstiefel mit starken Sohlen, so als
waeren sie fuer eine lange Reise bestimmt, schuetzten die kleinen Fuesschen.
Michael Strogoff glaubte an manchen Details dieses Costuems die Tracht der
Lieflaenderinnen zu erkennen und setzte also voraus, dass seine Nachbarin in
den baltischen Provinzen zu Hause sei.
Doch wohin ging dieses Kind, allein, in diesem Alter ohne Unterstuetzung
des Vaters oder der Mutter, ohne den Schutz eines Bruders? Kam sie
wirklich schon nach Zuruecklegung einer laengeren Reise aus den westlichen
Provinzen des Reiches? Begab sie sich nur nach Nishny-Nowgorod oder lag
ihr Ziel noch ueber den oestlich
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