in wolltest Du
Dich durch die Steppen Sibiriens wagen?
-- Es war meine Pflicht, Bruder.
-- Wusstest Du aber nicht, dass das empoerte und von Feinden ueberschwemmte
Land kaum zu passiren ist?
-- Der Tartareneinfall war, als ich Riga verliess, noch nicht bekannt,
erwiderte die junge Lieflaenderin. In Moskau erst erfuhr ich diese
Neuigkeiten.
-- Und setztest trotzdem Deine Reise fort?
-- Es war meine Pflicht."
Aus diesem Worte sprach der ganze Charakter des muthigen, jungen Maedchens.
Was sie fuer ihre Pflicht erkannte, zoegerte Nadia niemals auszufuehren.
Sie sprach dann von ihrem Vater, Wassili Fedor. Er war in Riga ein
geschaetzter Arzt, betrieb seine Kunst mit Erfolg und lebte gluecklich im
Kreise der Seinen. Nach seinem Beitritt zu einer auslaendischen geheimen
Gesellschaft aber erhielt er den Befehl zugestellt, nach Irkutsk zu gehen
und die Gensdarmen, welche jene Ordre ueberbrachten, geleiteten ihn ohne
Verzug ueber die Grenze.
Wassili Fedor liess man kaum Zeit, sein damals schon leidendes Weib und
seine hilflos zurueckbleibende Tochter zu umarmen, und er vergoss heisse
Thraenen beim Abschiede von den beiden, ihm so theuren Wesen.
Seit zwei Jahren bewohnte er nun die Hauptstadt Ostsibiriens und hatte
dort, aber fast ohne pecuniaeren Vortheil, seine Praxis weiter betreiben
koennen. Und doch waere er wohl so gluecklich gewesen, wie das einem
Verbannten ueberhaupt moeglich ist, haette er Weib und Kind um sich haben
koennen. Frau Fedor vermochte es ihrer Schwaechlichkeit wegen aber auch
schon damals nicht, Riga zu verlassen. Zwanzig Monate nach der Abreise des
Gatten hauchte sie in den Armen der Tochter, welche nun ganz verwaist
dastand, ihre Seele aus. Nadia Fedor ging die Behoerden nun um die bald
zugestandene Erlaubniss an, ihren Vater in Irkutsk aufzusuchen. Sie schrieb
Diesem, dass sie abreisen werde. Kaum vermochte sie die Mittel zu dieser
weiten Reise aufzubringen, zauderte aber doch nicht, sie zu unternehmen.
Sie that, was sie konnte!... Gott wuerde das Uebrige thun!
Indess arbeitete sich der "Kaukasus" gegen den Strom vorwaerts. Die Nacht
brach an und die Luft kuehlte sich erquickend ab. Zu Tausenden sprangen die
Funken aus dem Rauchfange der Fichtenholzfeuerung des Dampfers, und zu dem
Murmeln der an seinem Vordersteven gebrochenen Wellen gesellte sich das
Geheul der Woelfe, die sich am rechten Kama-Ufer umhertrieben.
Neuntes Capitel.
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