bereits ausgestiegen und unter der Menge, welche die
Perrons bedeckte, verschwunden.
Fuenftes Capitel.
Eine Verordnung mit zwei Artikeln.
Nishny-Nowgorod, Unter-Nowgorod, am Zusammenflusse der Wolga und Oka, ist
die Hauptstadt des gleichnamigen Gouvernements. Hier musste Michael
Strogoff den Schienenweg verlassen, der jener Zeit ueber die Stadt noch
nicht hinausreichte. Je weiter er vorwaerts kam, desto langsamer und
gleichzeitig desto unsicherer wurden die Communicationsmittel.
Nishny-Nowgorod, das gewoehnlich nur 30-35,000 Einwohner zaehlt, beherbergte
jetzt ueber 300,000 Seelen, d. h. die Kopfzahl hatte sich verzehnfacht.
Dieser Zuwachs ruehrte von der weltberuehmten Messe her, welche in seinen
Mauern, eigentlich nur drei Wochen lang, abgehalten wurde. Frueher erfreute
sich die Stadt Makariew dieses Zusammenflusses so vieler Fremden, seit dem
Jahre 1817 aber ward die grosse Messe hierher verlegt.
Die sonst ziemlich duestere, einsame Stadt war jetzt der Schauplatz der
lebhaftesten Bewegung. Zehn verschiedene Racen europaeischer und
asiatischer Kaufleute fraternisirten hier, so lange gegenseitige
Handelsgeschaefte im Spiel waren.
Trotz der vorgeschrittenen Stunde, zu welcher Michael Strogoff den Bahnhof
verliess, regte sich doch in den beiden durch das Bett der Wolga getrennten
Stadttheilen Nishny-Nowgorods noch ein ungeheures Leben. Von jenen Theilen
ist die obere, auf einem abschuessigen Felsen erbaute Stadt von einer jener
Festungsanlagen vertheidigt, die man in Russland ganz allgemein "Kreml" zu
nennen pflegt.
Waere Michael Strogoff genoethigt gewesen, sich in Nishny-Nowgorod laengere
Zeit aufzuhalten, so haette er wohl Muehe haben sollen, ein Hotel oder doch
eine halbwegs passende Herberge zu finden, - Alles war ueberfuellt. Da er
indess auch nicht unmittelbar weiter reisen, sondern nur den
naechstabgehenden Wolgadampfer benutzen konnte, so musste er sich doch wohl
oder uebel wenigstens ein Nachtlager suchen. Vorher trieb es ihn indess,
sich ueber die Abfahrtszeit des Dampfbootes zu unterrichten; deshalb begab
er sich sofort nach den Bureaux der Gesellschaft, deren Schiffe den Dienst
zwischen Nishny-Nowgorod und Perm versehen.
Dort erfuhr er zu seinem grossen Missvergnuegen, dass der "Kaukasus" - so hiess
das reisefertige Schiff - erst zu Mittag am naechsten Tage abgehen werde.
Siebenzehn Stunden Aufenthalt! Das war unangenehm fuer einen Ma
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