kaiserlichen Regierung, zum ersten
Range der Notabeln des Reiches zaehlt.
Frueher huldigte man der Anschauung, Tomsk liege einfach am Ende der Welt.
Wer sich dahin begeben wollte, wagte eine grosse Reise. Jetzt ist das,
vorausgesetzt, dass keine wilden Feindeshorden die Strasse umschwaermen,
durch einen einfachen Spaziergang abzumachen. Bald wird auch der
Schienenweg hergestellt sein, der es mit Ueberschreitung der Uralkette mit
Perm in Verbindung setzen soll.
Haelt man Tomsk fuer eine schoene Stadt? Die Berichte der Reisenden stimmen
in dieser Hinsicht nur wenig ueberein. Frau von Bourboulon, welche auf
ihrer Reise von Shang-hai nach Moskau einige Tage daselbst verweilte,
nennt es einen wenig malerischen Haeuserhaufen. Ihrer Beschreibung nach ist
es eine Stadt ohne besondere Physiognomie, mit alten Gebaeuden aus Granit
und Ziegelstein und engen, von den Gassen, wie man sie meist in
sibirischen Staedten findet, wenig abweichenden Strassen, mit schmutzigen
Quartieren, den Hauptansiedelungsstellen der Tartaren, in welchen
schweigsame Betrunkene umhertaumeln, "deren Trunkenheit ebenso apathisch
erscheint, wie bei allen Voelkern des Nordens".
Dagegen zollt der Reisende Henry Russel-Killough Tomsk seine ungetheilte
Bewunderung. Sollte das nur daher ruehren, dass er es mitten im Winter sah,
wogegen Frau von Bourboulon es nur waehrend des Sommers besuchte? Das ist
wohl moeglich und wuerde einen weiteren Beitrag zu der Behauptung liefern,
dass man kalte Laender nur waehrend der kalten Jahreszeit, warme nur waehrend
der heissen wirklich kennen und beurtheilen lernt.
Wie dem auch sei, Russel-Killough sagt positiv, dass Tomsk nicht nur die
schoenste Stadt Sibiriens, sondern vielleicht eine der huebschesten Staedte
ueberhaupt sei. Er lobt ebenso ihre mit Saeulengaengen und Peristylen
geschmueckten Haeuser, die bequemen Holztrottoirs, wie ueberhaupt die
breiten, regelmaessigen Strassen, sammt den fuenfzehn praechtigen Kirchen, die
sich in den Wellen des Tom, eines hier schon sehr bedeutenden Flusses,
wiederspiegeln.
Die Wahrheit liegt wohl auch hier in der Mitte. Tomsk breitet sich, bei
einer Einwohnerzahl von 25,000 Seelen, terrassenfoermig ueber einen
langgestreckten, aber steil abfallenden Huegel aus.
Die huebscheste Stadt der Welt wird aber zur haesslichsten, wenn Feinde in
ihr hausen. Wer haette sie jetzt auch bewundern wollen? Vertheidigt von
wenigen Bataillonen Kosaken zu Fuss hatte sie dem Anprall der tartarischen
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