haette in seinem
sechsundzwanzigsten Jahre sterben koennen, ohne die Kritik ueber seine
wahren Talente nicht ebenso zweifelhaft zu lassen?
Der Stoff ist die bekannte Episode beim Tasso. Eine kleine ruehrende
Erzaehlung in ein ruehrendes Drama umzuschaffen, ist so leicht nicht. Zwar
kostet es wenig Muehe, neue Verwickelungen zu erdenken und einzelne
Empfindungen in Szenen auszudehnen. Aber zu verhueten wissen, dass diese
neue Verwickelungen weder das Interesse schwaechen, noch der
Wahrscheinlichkeit Eintrag tun; sich aus dem Gesichtspunkte des Erzaehlers
in den wahren Standort einer jeden Person versetzen koennen; die
Leidenschaften nicht beschreiben, sondern vor den Augen des Zuschauers
entstehen und ohne Sprung in einer so illusorischen Stetigkeit wachsen zu
lassen, dass dieser sympathisieren muss, er mag wollen oder nicht: das ist
es, was dazu noetig ist; was das Genie, ohne es zu wissen, ohne es sich
langweilig zu erklaeren, tut, und was der bloss witzige Kopf nachzumachen,
vergebens sich martert.
Tasso scheinet in seinem Olint und Sophronia den Virgil in seinem Nisus
und Euryalus vor Augen gehabt zu haben. So wie Virgil in diesen die
Staerke der Freundschaft geschildert hatte, wollte Tasso in jenen die
Staerke der Liebe schildern. Dort war es heldenmuetiger Diensteifer, der
die Probe der Freundschaft veranlasste: hier ist es die Religion, welche
der Liebe Gelegenheit gibt, sich in aller ihrer Kraft zu zeigen. Aber die
Religion, welche bei dem Tasso nur das Mittel ist, wodurch er die Liebe
so wirksam zeiget, ist in Cronegks Bearbeitung das Hauptwerk geworden.
Er wollte den Triumph dieser in den Triumph jener veredeln. Gewiss, eine
fromme Verbesserung--weiter aber auch nichts, als fromm! Denn sie hat ihn
verleitet, was bei dem Tasso so simpel und natuerlich, so wahr und
menschlich ist, so verwickelt und romanenhaft, so wunderbar und himmlisch
zu machen, dass nichts darueber!
Beim Tasso ist es ein Zauberer, ein Kerl, der weder Christ noch
Mahomedaner ist, sondern sich aus beiden Religionen einen eigenen
Aberglauben zusammengesponnen hat, welcher dem Aladin den Rat gibt, das
wundertaetige Marienbild aus dem Tempel in die Moschee zu bringen. Warum
machte Cronegk aus diesem Zauberer einen mahomedanischen Priester? Wenn
dieser Priester in seiner Religion nicht ebenso unwissend war, als es der
Dichter zu sein scheinet, so konnte er einen solchen Rat unmoeglich geben.
Sie duldet durchaus keine Bilder in ihren Moscheen.
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