h alsdann kann der Akteur wirklich viel Empfindung haben und doch
keine zu haben scheinen. Die Empfindung ist ueberhaupt immer das
streitigste unter den Talenten eines Schauspielers. Sie kann sein, wo man
sie nicht erkennet; und man kann sie zu erkennen glauben, wo sie nicht
ist. Denn die Empfindung ist etwas Inneres, von dem wir nur nach seinen
aeussern Merkmalen urteilen koennen. Nun ist es moeglich, dass gewisse Dinge
in dem Baue des Koerpers diese Merkmale entweder gar nicht verstatten,
oder doch schwaechen und zweideutig machen. Der Akteur kann eine gewisse
Bildung des Gesichts, gewisse Mienen, einen gewissen Ton haben, mit denen
wir ganz andere Faehigkeiten, ganz andere Leidenschaften, ganz andere
Gesinnungen zu verbinden gewohnt sind, als er gegenwaertig aeussern und
ausdruecken soll. Ist dieses, so mag er noch so viel empfinden, wir
glauben ihm nicht: denn er ist mit sich selbst im Widerspruche.
Gegenteils kann ein anderer so gluecklich gebauet sein; er kann so
entscheidende Zuege besitzen; alle seine Muskeln koennen ihm so leicht, so
geschwind zu Gebote stehen; er kann so feine, so vielfaeltige Abaenderungen
der Stimme in seiner Gewalt haben; kurz, er kann mit allen zur Pantomime
erforderlichen Gaben in einem so hohen Grade beglueckt sein, dass er uns in
denjenigen Rollen, die er nicht urspruenglich, sondern nach irgendeinem
guten Vorbilde spielet, von der innigsten Empfindung beseelet scheinen
wird, da doch alles, was er sagt und tut, nichts als mechanische
Nachaeffung ist.
Ohne Zweifel ist dieser, ungeachtet seiner Gleichgueltigkeit und Kaelte,
dennoch auf dem Theater weit brauchbarer, als jener. Wenn er lange genug
nichts als nachgeaeffet hat, haben sich endlich eine Menge kleiner Regeln
bei ihm gesammelt, nach denen er selbst zu handeln anfaengt, und durch
deren Beobachtung (zufolge dem Gesetze, dass eben die Modifikationen der
Seele, welche gewisse Veraenderungen des Koerpers hervorbringen,
hinwiederum durch diese koerperliche Veraenderungen bewirket werden) er zu
einer Art von Empfindung gelangt, die zwar die Dauer, das Feuer
derjenigen, die in der Seele ihren Anfang nimmt, nicht haben kann, aber
doch in dem Augenblicke der Vorstellung kraeftig genug ist, etwas von den
nicht freiwilligen Veraenderungen des Koerpers hervorzubringen, aus deren
Dasein wir fast allein auf das innere Gefuehl zuverlaessig schliessen zu
koennen glauben. Ein solcher Akteur soll z.E. die aeusserste Wut des Zornes
ausdruecken; ich
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