vorstellen, was eine zaertliche sorgsame Mutter
empfinden musste, als sie ausstieg, ins Haus trat und da die
Verwirrung fand, nach ihrem Sohne fragte und aus ihrem Stocken und
Stottern leicht schliessen konnte, dass ihm ein Unglueck begegnet sei.
Amtmann.
Ich bedaure von Herzen. Was finden Sie an?
Luise.
Wir mussten nur geschwind alles erzaehlen, damit sie nicht etwas
Schlimmeres besorgte; wir mussten sie zu dem Kinde fuehren, das mit
verbundenem Kopf und blutigen Kleidern dalag. Wir hatten nur fuer
Umschlaege gesorgt und ihn nicht ausziehen koennen.
Amtmann.
Es muss ein schrecklicher Anblick gewesen sein.
Luise.
Sie blickte hin, tat einen lauten Schrei und fiel mir ohnmaechtig in
die Arme. Sie war untroestlich, als sie wieder zu sich kam, und wir
hatten alle Muehe, sie zu ueberfuehren, dass das Kind sich nur eine
starke Beule gefallen, dass es aus der Nase blutet, und dass keine
Gefahr sei.
Amtmann.
Ich moechte' es mit dem Hofmeister nicht teilen, der das gute Kind so
vernachlaessigt.
Luise.
Ich wunderte mich ueber die Gelassenheit der Graefin, besonders da er
den Vorfall leichter behandelte, als es ihm in dem Augenblick geziemte.
Amtmann.
Sie ist gar zu gnaedig, gar zu nachsichtig.
Luise.
Aber sie kennt ihre Leute und merkt sich alles. Sie weiss, wer ihr
redlich und treu dient; sie weiss, wer nur dem Schein nach ihr
untertaeniger Knecht ist. Sie kennt die Nachlaessigen so gut als die
Falschen, die Unklugen sowohl als die Boesartigen.
Amtmann.
Sie sagen nicht zu viel; es ist eine vortreffliche Dame, aber
ebendeswegen! Der Hofmeister verdiente doch, dass sie ihn geradezu
wegschickte.
Luise.
In allem, was das Schicksal des Menschen betrifft, geht sie langsam zu
Werke, wie es einem Grossen geziemt. Es ist nichts schrecklicher als
Macht und Uebereilung.
Amtmann.
Aber Macht und Schwaeche sind auch ein trauriges Paar.
Luise.
Sie werden der gnaedigen Graefin nicht nachsagen, dass sie schwach sei.
Amtmann.
Behuete Gott, dass ein solcher Gedanke einem alten treuen Diener
einfallen sollte! Aber es ist denn doch erlaubt, zum Vorteil seiner
gnaedigen Herrschaft zu wuenschen, dass man manchmal mit mehr Strenge
gegen Leute zu Werke gehe, die mit Strenge behandelt sein wollen.
Luise.
Die Frau Graefin! (Luise tritt ab.)
Zweiter Auftritt
Die Graefin im Neglige. Der Amtmann.
Amtmann.
Euer Exzellenz haben zwar auf eine angenehme Weise, doch unvermutet
Ihre Dienerschaft ueberrascht,
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