u sehen, wie alles gewachsen ist, und wie der
Wasserfall, wie die Bruecke und die Felsenkluft sich jetzt ausnehmen.
Luise.
Es ist alles vortrefflich gewachsen; die Wildnisse, die Sie angelegt
haben, scheinen natuerlich zu sein; sie bezaubern jeden, der sie zum
ersten Mal sieht, und auch mir geben sie noch immer in einer stillen
Stunde einen angenehmen Aufenthalt. Doch muss ich gestehen, dass ich
in der Baumschule unter den fruchtbaren baeumen lieber bin. Der
Gedanke des Nutzens fuehrt mich aus mir selbst heraus und gibt mir eine
Froehlichkeit, die ich sonst nicht empfinde. Ich kann saeen, pfropfen,
okulieren; und wenngleich mein Auge keine malerische Wirkung empfindet,
so ist mir doch der Gedanke von Fruechten hoechst reizend, die einmal
und wohl bald jemanden erquicken werden.
Graefin.
Ich schaetze Ihre guten haeuslichen Gesinnungen.
Luise.
Die einzigen, die sich fuer den Stand schicken, der ans Notwendige zu
denken hat, dem wenig Willkuer erlaubt ist.
Graefin.
Haben Sie den Antrag ueberlegt, den ich Ihnen in meinem letzten Briefe
tat? Koennen Sie sich entschliessen, meiner Tochter Ihre Zeit zu widmen,
als Freundin, als Gesellschafterin mit ihr zu leben?
Luise.
Ich habe kein Bedenken, gnaedige Graefin.
Graefin.
Ich hatte viel Bedenken, Ihnen den Antrag zu tun. Die wilde und
unbaendige Gemuetsart meiner Tochter macht ihren Umgang unangenehm und
oft sehr verdriesslich. So leicht mein Sohn zu behandeln ist, so
schwer ist es meine Tochter.
Luise.
Dagegen ist ihr edles Herz, ihre Art, zu handeln, aller Achtung wert.
Sie ist heftig, aber bald zu besaenftigen, unbillig, aber gerecht,
stolz, aber menschlich.
Graefin.
Hierin ist sie ihrem Vater--
Luise.
Aeusserst aehnlich. Auf eine sehr sonderbare Weise scheint die Natur in
der Tochter den rauen Vater, in dem Sohne die zaertliche Mutter wieder
hervorgebracht zu haben.
Graefin.
Versuchen Sie, Luise, dieses wilde, aber edle, Feuer zu daempfen. Sie
besitzen alle Tugenden, die ihr fehlen. In Ihrer Naehe, durch Ihr
Beispiel wird sie gereizt werden, sich nach einem Muster zu bilden,
das so liebenswuerdig ist.
Luise.
Sie beschaemen mich, gnaedige Graefin. Ich kenne an mir keine Tugend als
die, dass ich mich bisher in mein Schicksal zu finden wusste, und
selbst diese hat kein Verdienst mehr, seitdem Sie, gnaedige Graefin, so
viel getan haben, um es zu erleichtern. Sie tun jetzt noch mehr, da
Sie mich naeher an sich heranziehen. Nach dem Tode meines Vat
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