konnte der Aeltere feststellen, dass Teilnahme und Aufmerksamkeit
nicht voellig unerwidert blieben. Was bewog zum Beispiel den Schoenen,
niemals mehr, wenn er morgens am Strande erschien, den Brettersteg an
der Rueckseite der Huetten zu benuetzen, sondern nur noch auf dem
vorderen Wege, durch den Sand, an Aschenbachs Wohnplatz vorbei und
manchmal unnoetig dicht an ihm vorbei, seinen Tisch, seinen Stuhl fast
streifend, zur Huette der Seinen zu schlendern? Wirkte so die
Anziehung, die Faszination eines ueberlegenen Gefuehls auf seinen zarten
und gedankenlosen Gegenstand? Aschenbach erwartete taeglich Tadzios
Auftreten, und zuweilen tat er, als sei er beschaeftigt, wenn es sich
vollzog, und liess den Schoenen scheinbar unbeachtet voruebergehen.
Zuweilen aber auch blickte er auf, und ihre Blicke trafen sich. Sie
waren beide tief ernst, wenn das geschah. In der gebildeten und
wuerdevollen Miene des Aelteren verriet nichts eine innere Bewegung;
aber in Tadzios Augen war ein Forschen, ein nachdenkliches Fragen, in
seinen Gang kam ein Zoegern, er blickte zu Boden, er blickte lieblich
wieder auf, und wenn er vorueber war, so schien ein Etwas in seiner
Haltung auszudruecken, dass nur Erziehung ihn hinderte, sich umzuwenden.
Einmal jedoch, eines Abends, begab es sich anders. Die polnischen
Geschwister hatten nebst ihrer Gouvernante bei der Hauptmahlzeit im
grossen Saale gefehlt,--mit Besorgnis hatte Aschenbach es wahrgenommen.
Er erging sich nach Tische, sehr unruhig ueber ihren Verbleib, in
Abendanzug und Strohhut vor dem Hotel, zu Fuessen der Terrasse, als er
ploetzlich die nonnenaehnlichen Schwestern mit der Erzieherin und vier
Schritte hinter ihnen Tadzio im Lichte der Bogenlampen auftauchen sah.
Offenbar kamen sie von der Dampferbruecke, nachdem sie aus irgendeinem
Grunde in der Stadt gespeist. Auf dem Wasser war es wohl kuehl gewesen;
Tadzio trug eine dunkelblaue Seemanns-Ueberjacke mit goldenen Knoepfen
und auf dem Kopf eine zugehoerige Muetze. Sonne und Seeluft verbrannten
ihn nicht, seine Hautfarbe war marmorhaft gelblich geblieben wie zu
Beginn; doch schien er blaesser heute als sonst, sei es infolge der
Kuehle oder durch den bleichenden Mondschein der Lampen. Seine
ebenmaessigen Brauen zeichneten sich schaerfer ab, seine Augen dunkelten
tief. Er war schoener, als es sich sagen laesst, und Aschenbach empfand
wie schon oftmals mit Schmerzen, dass das Wort die sinnliche Schoenheit
nur zu preisen, nicht wiederzugeben vermag
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