Dennoch war sich der Einsame eines besonderen Anrechtes bewusst, an dem
Geheimnis teil zu haben, und, gleichwohl ausgeschlossen, fand er eine
bizarre Genugtuung darin, die Wissenden mit verfaenglichen Fragen
anzugehen und sie, die zum Schweigen verbuendet waren, zur
ausdruecklichen Luege zu noetigen. Eines Tages beim Fruehstueck im grossen
Speisesaal stellte er so den Geschaeftsfuehrer zur Rede, jenen kleinen,
leise auftretenden Menschen im franzoesischen Gehrock, der sich
gruessend und beaufsichtigend zwischen den Speisenden bewegte und auch
an Aschenbachs Tischchen zu einigen Plauderworten Halt machte. Warum
man denn eigentlich, fragte der Gast in laessiger und beilaeufiger
Weise, warum in aller Welt, man seit einiger Zeit Venedig
desinfiziere?--"Es handelt sich", antwortete der Schleicher, "um eine
Massnahme der Polizei, bestimmt, allerlei Unzutraeglichkeiten oder
Stoerungen der oeffentlichen Gesundheit, welche durch die bruetende und
ausnehmend warme Witterung erzeugt werden moechten, pflichtgemaess und
beizeiten hintanzuhalten."--"Die Polizei ist zu loben", erwiderte
Aschenbach, und nach Austausch einiger meteorologischer Bemerkungen
empfahl sich der Manager.
Selbigen Tages noch, abends nach dem Diner, geschah es, dass eine
kleine Bande von Strassensaengern aus der Stadt sich im Vorgarten des
Gasthofes hoeren liess. Sie standen, zwei Maenner und zwei Weiber, an dem
eisernen Mast einer Bogenlampe und wandten ihre weissbeschienenen
Gesichter zur grossen Terrasse empor, wo die Kurgesellschaft sich bei
Kaffee und kuehlenden Getraenken die volkstuemliche Darbietung gefallen
liess. Das Hotelpersonal, Liftboys, Kellner und Angestellte der Office,
zeigte sich lauschend an den Tueren zur Halle. Die russische Familie,
eifrig und genau im Genuss, hatte sich Rohrstuehle in den Garten
hinabstellen lassen, um den Ausuebenden naeher zu sein, und sass dort
dankbar im Halbkreise. Hinter der Herrschaft, in turbanartigem
Kopftuch, stand ihre alte Sklavin.
Mandoline, Guitarre, Harmonika und eine quinkelierende Geige waren
unter den Haenden der Bettelvirtuosen in Taetigkeit. Mit instrumentalen
Durchfuehrungen wechselten Gesangsnummern, wie denn das juengere der
Weiber, scharf und quaekend von Stimme, sich mit dem suess
falsettierenden Tenor zu einem verlangenden Liebesduett zusammentat.
Aber als das eigentliche Talent und Haupt der Vereinigung zeigte sich
unzweideutig der andere der Maenner, Inhaber der Guitarre und im
Charakter
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