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s Gesindel machte, so hiess es, nachts die Strassen unsicher; raeuberische Anfaelle und selbst Mordtaten wiederholten sich, denn schon zweimal hatte sich erwiesen, dass angeblich der Seuche zum Opfer gefallene Personen vielmehr von ihren eigenen Anverwandten mit Gift aus dem Leben geraeumt worden waren; und die gewerbsmaessige Liederlichkeit nahm aufdringliche und ausschweifende Formen an, wie sie sonst hier nicht bekannt und nur im Sueden des Landes und im Orient zu Hause gewesen waren. Von diesen Dingen sprach der Englaender das Entscheidende aus. "Sie taeten gut", schloss er, "lieber heute als morgen zu reisen. Laenger, als ein paar Tage noch, kann die Verhaengung der Sperre kaum auf sich warten lassen."--"Danke Ihnen", sagte Aschenbach und verliess das Amt. Der Platz lag in sonnenloser Schwuele. Unwissende Fremde sassen vor den Cafes oder standen, ganz von Tauben bedeckt, vor der Kirche und sahen zu, wie die Tiere, wimmelnd, fluegelschlagend, einander verdraengend, nach den in hohlen Haenden dargebotenen Maiskoernern pickten. In fiebriger Erregung, triumphierend im Besitze der Wahrheit, einen Geschmack von Ekel dabei auf der Zunge und ein phantastisches Grauen im Herzen, schritt der Einsame die Fliesen des Prachthofes auf und nieder. Er erwog eine reinigende und anstaendige Handlung. Er konnte heute Abend nach dem Diner der perlengeschmueckten Frau sich naehern und zu ihr sprechen, was er woertlich entwarf: "Gestatten Sie dem Fremden, Madame, Ihnen mit einem Rat, einer Warnung zu dienen, die der Eigennutz Ihnen vorenthaelt. Reisen Sie ab, sogleich, mit Tadzio und Ihren Toechtern! Venedig ist verseucht." Er konnte dann dem Werkzeug einer hoehnischen Gottheit zum Abschied die Hand aufs Haupt legen, sich wegwenden und diesem Sumpfe entfliehen. Aber er fuehlte zugleich, dass er unendlich weit entfernt war, einen solchen Schritt im Ernste zu wollen. Er wuerde ihn zurueckfuehren, wuerde ihn sich selber wiedergeben; aber wer ausser sich ist, verabscheut nichts mehr, als wieder in sich zu gehen. Er erinnerte sich eines weissen Bauwerks, geschmueckt mit abendlich gleissenden Inschriften, in deren durchscheinender Mystik das Auge seines Geistes sich verloren hatte; jener seltsamen Wandrergestalt sodann, die dem Alternden schweifende Juenglingssehnsucht ins Weite und Fremde erweckt hatte; und der Gedanke an Heimkehr, an Besonnenheit, Nuechternheit, Muehsal und Meisterschaft, widerte ihn in solchem Masse, dass sein Gesicht
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