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Er war der teuren Erscheinung nicht gewaertig gewesen, sie kam
unverhofft, er hatte nicht Zeit gehabt, seine Miene zu Ruhe und Wuerde
zu befestigen. Freude, Ueberraschung, Bewunderung mochten sich offen
darin malen, als sein Blick dem des Vermissten begegnete,--und in
dieser Sekunde geschah es, dass Tadzio laechelte: ihn anlaechelte,
sprechend, vertraut, liebreizend und unverhohlen, mit Lippen, die sich
im Laecheln erst langsam oeffneten. Es war das Laecheln des Narziss, der
sich ueber das spiegelnde Wasser neigt, jenes tiefe, bezauberte,
hingezogene Laecheln, mit dem er nach dem Widerschein der eigenen
Schoenheit die Arme streckt,--ein ganz wenig verzerrtes Laecheln,
verzerrt von der Aussichtslosigkeit seines Trachtens, die holden
Lippen seines Schattens zu kuessen, kokett, neugierig und leise
gequaelt, betoert und betoerend.
Der, welcher dies Laecheln empfangen, enteilte damit wie mit einem
verhaengnisvollen Geschenk. Er war so sehr erschuettert, dass er das
Licht der Terrasse, des Vorgartens, zu fliehen gezwungen war und mit
hastigen Schritten das Dunkel des rueckwaertigen Parkes suchte.
Sonderbar entruestete und zaertliche Vermahnungen entrangen sich ihm:
"Du darfst so nicht laecheln! Hoere, man darf so niemandem laecheln!" Er
warf sich auf eine Bank, er atmete ausser sich den naechtlichen Duft der
Pflanzen. Und zurueckgelehnt, mit haengenden Armen, ueberwaeltigt und
mehrfach von Schauern ueberlaufen, fluesterte er die stehende Formel der
Sehnsucht,--unmoeglich hier, absurd, verworfen, laecherlich und heilig
doch, ehrwuerdig auch hier noch: "Ich liebe dich!"
Fuenftes Kapitel
In der vierten Woche seines Aufenthalts auf dem Lido machte Gustav von
Aschenbach einige die Aussenwelt betreffende unheimliche Wahrnehmungen.
Erstens schien es ihm, als ob bei steigender Jahreszeit die Frequenz
seines Gasthofes eher ab-als zunaehme, und, insbesondere, als ob die
deutsche Sprache um ihn her versiege und verstumme, so dass bei Tisch
und am Strand endlich nur noch fremde Laute sein Ohr trafen. Eines
Tages dann fing er beim Coiffeur, den er jetzt haeufig besuchte, im
Gespraeche ein Wort auf, das ihn stutzig machte. Der Mann hatte einer
deutschen Familie erwaehnt, die soeben nach kurzem Verweilen abgereist
war und setzte plaudernd und schmeichelnd hinzu: "Sie bleiben, mein
Herr; Sie haben keine Furcht vor dem Uebel." Aschenbach sah ihn an.
"Dem Uebel?" wiederholte er. Der Schwaetzer verstummte, tat beschaeftigt,
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