eichischen Elementes. Die Angehoerigen der uebrigen
Nationen wussten offenbar nichts, ahnten nichts, waren noch nicht
beunruhigt. "Man soll schweigen!" dachte Aschenbach erregt, indem er
die Journale auf den Tisch zurueckwarf. "Man soll das verschweigen!"
Aber zugleich fuellte sein Herz sich mit Genugtuung ueber das Abenteuer,
in welches die Aussenwelt geraten wollte. Denn der Leidenschaft ist,
wie dem Verbrechen, die gesicherte Ordnung und Wohlfahrt des Alltags
nicht gemaess, und jede Lockerung des buergerlichen Gefueges, jede
Verwirrung und Heimsuchung der Welt muss ihr willkommen sein, weil sie
ihren Vorteil dabei zu finden unbestimmt hoffen kann. So empfand
Aschenbach eine dunkle Zufriedenheit ueber die obrigkeitlich
bemaentelten Vorgaenge in den schmutzigen Gaesschen Venedigs,--dieses
schlimme Geheimnis der Stadt, das mit seinem eigensten Geheimnis
verschmolz, und an dessen Bewahrung auch ihm so sehr gelegen war. Denn
der Verliebte besorgte nichts, als dass Tadzio abreisen koennte und
erkannte nicht ohne Entsetzen, dass er nicht mehr zu leben wissen
werde, wenn das geschaehe.
Neuerdings begnuegte er sich nicht damit, Naehe und Anblick des Schoenen
der Tagesregel und dem Gluecke zu danken; er verfolgte ihn, er stellte
ihm nach. Sonntags zum Beispiel erschienen die Polen niemals am
Strande; er erriet, dass sie die Messe in San Marco besuchten, er eilte
dorthin, und aus der Glut des Platzes in die goldene Daemmerung des
Heiligtums eintretend, fand er den Entbehrten, ueber ein Betpult
gebeugt beim Gottesdienst. Dann stand er im Hintergrunde, auf
zerklueftetem Mosaikboden, inmitten knieenden, murmelnden,
kreuzschlagenden Volkes, und die gedrungene Pracht des
morgenlaendischen Tempels lastete ueppig auf seinen Sinnen. Vorn
wandelte, hantierte und sang der schwergeschmueckte Priester, Weihrauch
quoll auf, er umnebelte die kraftlosen Flaemmchen der Altarkerzen, und
in den dumpfsuessen Opferduft schien sich leise ein anderer zu mischen:
der Geruch der erkrankten Stadt. Aber durch Dunst und Gefunkel sah
Aschenbach, wie der Schoene dort vorn den Kopf wandte, ihn suchte und
ihn erblickte.
Wenn dann die Menge durch die geoeffneten Portale hinausstroemte auf den
leuchtenden, von Tauben wimmelnden Platz, verbarg sich der Betoerte in
der Vorhalle, er versteckte sich, er legte sich auf die Lauer. Er sah
die Polen die Kirche verlassen, sah, wie die Geschwister sich auf
zeremonioese Art von der Mutter verabschiedeten und wie dies
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