etwas darauf
eingebildet, dass er sie bisher ueberhaupt beachtet hatte. Es war ihr
heimlicher Stolz gewesen. Nun sah er ueber sie hinweg, wie ueber jedes
andere Schulmaedchen. Ihre Eitelkeit war verletzt. Aber statt sich
verschuechtert zurueckzuziehen, setzte sie ihren Ehrgeiz darin, das
verlorene Terrain wieder zu gewinnen. Beuthien war ihre fixe Idee. Sie
verfolgte und beobachtete ihn und machte die Schwester, zu der sie in
dieser Sache Vertrauen gewonnen hatte, zur Mitwisserin ihrer
Entdeckungen.
"Du mit Deinem Beuthien", rief Lulu dann manchmal gequaelt. "Was geht
Dich Beuthien an."
Aber sie war dann wenigstens froh, aus Paulas Antworten entnehmen zu
koennen, dass diese keine Ahnung von ihrem Verhaeltnis zu Beuthien hatte.
Um so groesser war ihre Angst vor der Mutter. Immer draengte sich das
Gestaendnis auf die Zunge, aber immer schreckte sie wieder zurueck. Und
doch, irgend jemand musste sie sich anvertrauen. Allein konnte sie es
nicht mehr tragen.
Mehrmals schon war sie in ihrer Angst im Begriff gewesen, Minna, das
Maedchen, ins Vertrauen zu ziehen. Einmal hatte sie sogar schon leichthin
Andeutungen gemacht, aber Minna war zu dumm, zu "begriffsstuetzig."
Nachher hatte Lulu sich gescholten. Schaemte sie sich denn nicht, sich
so gemein mit dem Dienstmaedchen zu machen?
Dann aber kam der Tag, der allem ein Ende machte, ihr die Entscheidung
aus der Hand nahm.
Frau Behn war ihrer Sache gewiss geworden und konnte nicht laenger
schweigen.
Im Comptoir des Vaters, unter vier Augen, sprachen sie sich aus.
Nur eine leise Andeutung der Mutter, ein fragender Blick, und Lulu brach
in Thraenen aus.
"Wo heet he?" fragte Frau Behn ruhig, aber energisch.
Lulu schwieg. Die Mutter schuettelte sie heftig am Arm.
"Wull Du reden. Wo heet de Keerl?"
Wo war Lulus Trotz? Wie ein Kind musste sie sich schelten lassen?
Es war, als ob das Uebergewicht, das die sonst so schwache Frau
ploetzlich ueber die Tochter erlangt hatte, allem lange aufspeicherten
Groll der Mutter die Riegel oeffnete. Sie bebte vor Zorn.
"Wo heet de Keerl?" rief sie immer heftiger. "Ik will dat weten."
Und als Lulu trotzte, "das sag ich nicht", ohrfeigte sie sie.
"Das ist gemein", fuhr Lulu auf.
"Was ist gemein?" Die Mutter rueckte ihr fast auf den Leib. "Was ist
gemein? Du, Du!"
Ein tiefes Erblassen, ein roechelndes Nachatemringen, ein unsicheres
Umhertasten mit den Haenden, und schwer sank Lulu an dem neben ihr
stehenden Stuhl
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