ndschaft, Menschlichkeit, reine Religiositaet, die
besseren moralischen Eigenschaften findet man meist nicht auf Seiten der
Europaeer, sondern der so tief verachteten Naturvoelker, und Seume's
"Wir Wilden sind doch bessre Menschen"
hat seinen tiefen Grund. Man sage nicht, dass die von den Europaeern
veruebten Schlechtigkeiten nur von einzelnen ausgegangen und also auch
nur den einzelnen Individuen zur Last zu legen seien; sie sind so
ziemlich gleichmaessig von der gesammten Kolonistenbevoelkerung ausgefuehrt
und jedenfalls von ihr hoechlich gebilligt worden; ja es fehlt noch viel,
dass sie auch jetzt ueberall getadelt wuerden.
Es zeigt sich aus diesen Betrachtungen ferner, wie ungeheuer langsam die
Menschheit moralisch fortschreitet und wie wenig durch intellektuelle
Entwickelung ein Fortschritt nach jener Seite bedingt wird. Das eben von
Columbus Erwaehnte mag als Beleg dienen, er, der geistig so hoch ueber
seiner Zeit stand, hatte sittlich ganz dieselbe Stufe inne. Seine ganze
Zeit aber stand trotz des Christenthums, trotz der aeusseren Kultur noch
auf einem Standpunkt der geistigen Rohheit, die sich noch kaum von dem
Wesen des Naturmenschen unterscheidet, ja durch reicher entwickelte und
ganz zuegellose Leidenschaften noch tiefer als jenes erscheint. Wie
gewaltig nun die Entwickelung der Intelligenz in den letzten drei
Jahrhunderten zugenommen hat, weiss Jeder; blickt man aber auf die
Kulturvoelker des 19. Jahrhunderts--man denke an die Englaender in
Tasmanien, Neuholland, Nordamerika, die Portugiesen und Spanier in
Suedamerika--so wird man von einem moralischen Fortschritt noch gar wenig
bemerken, denn sie benehmen sich, allerdings nicht mehr in solcher
Allgemeinheit, gerade ebenso brutal und unmenschlich, als die Spanier im
16. Jahrhundert.
Auch kann man nicht behaupten, dass die heutige Propaganda und ihr
Verfahren in der Suedsee sich sehr zu ihrem Vortheil von den Missionaeren
des 16. und 17. Jahrhunderts unterschied; was sie etwa an
Gewaltthaetigkeit verloren hat, das hat sie an Unwahrheit gewonnen. Und
wenn man im 19. Jahrhundert mit demselben Leichtsinn wie im 16. nur um
zu taufen, tauft: so ist das in unseren Zeiten bei weitem schlimmer, als
in jenen frueheren. Bis jetzt also hat die Hoehe der intellektuellen
Entwickelung noch keineswegs durchgreifend und in dem Maasse, als man
denken sollte, auf die moralische Seite des menschlichen Charakters
gewirkt--aus Gruenden, deren tiefere psychologische Moti
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