Ihr recht," entgegnete er; "es ist aber auch kein hiesiger,
sondern der Berliner, H. Clauren--"
"Wie, und dieser schickt Euch kalte Kueche bis hieher?"
"Kalte und warme Kueche nebst etzlichem Getraenke. Doch ich will Euch das
Raetsel loesen," fuhr er fort; "ich bin arm, und was ich habe, nimmt
jaehrlich gerade das Schneiderkonto und die Rechnung fuer Zuckerwasser im
Kaffeehause weg; nun bin ich aber gewoehnt, gute Tafel zu halten; was fange
ich in diesen Zeiten an, wo niemand borgt und vorstreckt? Ich kaufe mir
alle Jahre von ersparten Groschen das herrliche Vergissmeinnicht von H.
Clauren, und ich versichere Euch, das ist mir Speisekammer, Keller,
Fischmarkt, Konditorei, Weinhandlung, alles in allem. Ihr muesst wissen,
dass in solchem Buechlein auf zwanzig Seiten immer eine oder zwei, wie ich
sie nenne, Tafelseiten kommen. Ich sehe mich mittags mit einem Stueck Brot,
zu welchem an Festtagen Butter koemmt, nebst einem Glase Wasser oder
duennem Biere an den Tisch, speise vornehm und langsam, und waehrend ich
kaue, lese ich im 'Vergissmeinnicht' oder in 'Scherz und Ernst.' Seine
Tafelseiten werden mir nun zu delikaten Suppentafeln; denn mein Teller ist
nicht mehr mit schlechtem Brot besetzt, meine Zaehne malmen nicht mehr
dieses magere Gebaeck, nein, ich esse mit Clauren, und der Mann versteht,
was gute Kueche ist. Was da an Fasanen, Gaenseleberpasteten, Trueffeln, an
seltenen Fischen, an--"
"Genug!" fiel ich ihm ein; "und Eure Phantasie laesst Euch satt werden?
Aber koenntet Ihr hiezu nicht das naechste beste Kochbuch nehmen? Ihr
haettet zum mindesten mehr Abwechslung."
"Ei, da ist noch ein grosser Unterschied! Sehet, das versteht Ihr nicht
recht; in den Kochbuechern wird nur beschrieben, wie etwas gekocht wird;
aber ganz anders im Vergissmeinnicht; da kann man lesen, wie es schmeckt.
Clauren ist nicht nur Mundkoch und Vorschneider, sondern er kaut auch jede
Schuessel vor und erzaehlt: so schmeckte es; und wie natuerlich ist es,
wenn er oft beschreibt, wie diesem die Sauce ueber den Bart
herabgetraeufelt sei, oder wie jener vor Vergnuegen ueber die
Trueffelpastete die Augen geschlossen! UEberdies hat man dabei den
herrlichsten Flaschenkeller gleich bei der Hand, und wenn ich das Glas mit
Duennbier zum Munde fuehre, schiebt er mir immer im Geiste Trimadera,
Bordeaux oder Champagner unter."
So sprach der junge Mann und ging weiter, um auf sein grosses Claurensches
Traktement der Verdauung wegen zu promenieren.
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