ang, habe ich eine schoene Frau gesehen
... Gott, sie war schoen!" sagte er, legte den Kopf auf die Seite und
spreizte die Haende.
"Wirklich, Herr Spinell? Beschreiben Sie sie mir doch!"
"Nein, das kann ich nicht. Oder ich wuerde Ihnen doch ein unrichtiges
Bild von ihr geben. Ich habe die Dame im Voruebergehen nur mit einem
halben Blicke gestreift, ich habe sie in Wirklichkeit nicht gesehen.
Aber der verwischte Schatten von ihr, den ich empfing, hat genuegt, meine
Phantasie anzuregen und mich ein Bild mit fortnehmen lassen, das schoen
ist ... Gott, es ist schoen!"
Sie lachte. "Ist das Ihre Art, sich schoene Frauen zu betrachten, Herr
Spinell?"
"Ja, gnaedige Frau; und es ist eine bessere Art, als wenn ich ihnen plump
und wirklichkeitsgierig ins Gesicht starrte und den Eindruck einer
fehlerhaften Tatsaechlichkeit davontruege ..."
"Wirklichkeitsgierig ... Das ist ein sonderbares Wort! Ein richtiges
Schriftstellerwort, Herr Spinell! Aber es macht Eindruck auf mich, will
ich Ihnen sagen. Es liegt so manches darin, wovon ich wenig verstehe,
etwas Unabhaengiges und Freies, das sogar der Wirklichkeit die Achtung
kuendigt, obgleich sie doch das Respektabelste ist, was es gibt, ja das
Respektable selbst ... Und dann begreife ich, dass es etwas gibt ausser
dem Handgreiflichen, etwas Zarteres ..."
"Ich weiss nur ein Gesicht", sagte er ploetzlich mit einer seltsam
freudigen Bewegung in der Stimme, erhob seine geballten Haende zu den
Schultern und liess in einem exaltierten Laecheln seine karioesen Zaehne
sehen ... "Ich weiss nur ein Gesicht, dessen veredelte Wirklichkeit durch
meine Einbildung korrigieren zu wollen suendhaft waere, das ich
betrachten, auf dem ich verweilen moechte, nicht Minuten, nicht Stunden,
sondern mein ganzes Leben lang, mich ganz darin verlieren und alles
Irdische darueber vergessen ..."
"Ja, ja, Herr Spinell! Nur dass Fraeulein von Osterloh doch ziemlich
abstehende Ohren hat."
Er schwieg und verbeugte sich tief. Als er wieder aufrecht stand, ruhten
seine Augen mit einem Ausdruck von Verlegenheit und Schmerz auf dem
kleinen, seltsamen Aederchen, das sich blassblau und kraenklich in der
Klarheit ihrer wie durchsichtigen Stirn verzweigte.
7
Ein Kauz, ein ganz wunderlicher Kauz! Herrn Kloeterjahns Gattin dachte
zuweilen nach ueber ihn, denn sie hatte sehr viel Zeit zum Nachdenken.
Sei es, dass der Luftwechsel anfing, die Wirkung zu versagen, oder dass
irgendein positiv schaedlicher Ei
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