vielleicht."
Sie schwiegen alle drei und gruebelten ueber den merkwuerdigen Brief. Da
leuchtete es ploetzlich in Annas Gesicht auf: "Darf ich den Umschlag
haben, Vater? Ich moechte die Marken abloesen."
"Warum?"
"Er moechte sie doch haben!"--"Da nimm!"
Mit grosser Vorsicht befeuchtete Anna den Umschlag mit Wasser. Die Marken
fingen an sich zu loesen, behutsam hob sie ein Eckchen und sah darunter.
"Da steht etwas geschrieben," rief sie, "ich habe mir's doch
gedacht!"--"Nur sachte, sachte!"
Alle drei waren in hoechster Spannung, bis die vier Marken gluecklich
geloest waren. Es kamen Worte zum Vorschein, in winzigen Buchstaben mit
spitzem Bleistift geschrieben, und sie entzifferten folgendes:
Duerfen die Wahrheit nicht schreiben. Behandlung schlecht, aber wir
sind gesund, halten es gut aus. Sorgt Euch nicht, wir leiden fuers
Vaterland, dem Gott den Sieg geben wird. Froehliches Wiedersehen im
Frieden.
Ja, aus diesen Worten erkannten sie ihren tapfern Sohn und Bruder
wieder! Immer aufs neue lasen sie das winzige Brieflein und waren tief
bewegt.
"Bitte Vater, gib mir den andern Brief, sagte ploetzlich Anna lebhaft,
ich glaube, ich bringe auch da noch einen Sinn heraus. Er schreibt ja,
ich soll seine Gruesse ausrichten. Warum soll gerade ich den Onkel
Valentin und die andern Herrschaften gruessen, die doch gar nicht
existieren? Das bedeutet etwas. Die Brueder und ich haben ja frueher zum
Spass oft Geheimschriften betrieben. Ich werde schon etwas
herausbringen!"
Da sass sie nun eine Weile mit Bleistift und Papier, sann nach ueber die
geheimnisvollen Namen und endlich kam sie darauf, die Anfangsbuchstaben
zusammenzusetzen von _P_ater _R_enatus, _O_nkel _V_alentin, _E_xcellenz
_N_euburg, _C_hristine _E_bner, und diese Buchstaben zusammen ergaben
das Wort: Provence. "In der Provence ist er," rief sie triumphierend und
sie lachte froehlich, wie in der gluecklichen Zeit, wo sie mit den Bruedern
ihren Spass gehabt hatte. "Mutter," sagte sie, "du darfst dich nicht zu
arg bekuemmern um Lutz, der ist noch ganz fidel; er haette doch ebensogut
einfache Namen waehlen koennen. Aber das hat ihm nun gerade Spass gemacht,
und ich kann mir denken, wie er gelacht hat ueber den Pater, die
Excellenz und gar ueber das Liebchen, Christine. Ich werde ihm auch einen
schlauen Brief schreiben, mit dem soll er sich die Zeit vertreiben."
So kam es, dass Eltern und Schwester, trotzdem sie Lutz in der
Gefangenschaft wussten
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