"Nein, Frau Graefin, duerfen sich beruhigen."
Nach dieser Versicherung traten beide ins Wohngemach.
"Glauben Sie nicht," fragte Ange nach einer Pause und daempfte ihre
Stimme, "dass diese starken Schlafmittel sehr schaedliche Nachwirkungen
haben?"
"Ja, Frau Graefin," erwiderte Tibet; "aber viel schlimmer sind noch--"
Er unterbrach sich mit einem Gesichtsausdruck, als ob das letzte Wort
ihm nur entschluepft sei.
Als Ange sah, dass ihr etwas verheimlicht werden sollte, stieg ihre
Angst.
"Nicht doch, nicht doch! Sie wollen mir etwas verschweigen. Ich will und
muss es aber wissen. Ach Tibet! War es ueberhaupt gut, dass Sie nie
mitteilsam gegen mich waren? Wer weiss, ob nicht manches hier im Hause
anders staende!"
Sie strich sich mit der schmalen Hand ueber die thraenenden Augen.
"Reden Sie, ich beschwoere Sie!" fuhr sie fort, als er noch immer
schwieg. "Was ist noch schlimmer? und welche Heimlichkeiten haben Sie
mit meinem Gemahl schon seit Jahren?"
"Ach, Frau Graefin--" stotterte Tibet und sah Ange bittend an. "Es ist
nichts, gewiss nicht!"
"Ist es denn Neugierde, die mich veranlasst, Sie zu fragen?" sagte Ange
mit sanftem Ernst und blickte Tibet traurig an. "Ist es nicht die Sorge
fuer meinen geliebten Mann! Ach, ach! wie viele thraenenvolle Stunden habe
ich schon um seinetwillen gehabt!"
Tibet hatte ganz die Fassung verloren. Er stand da wie jemand, der sich
eines schweren Vergebens schuldig fuehlt und aus Scham und Verzweiflung
kein Wort findet. Endlich raffte er sich auf und sagte:
"Verzeihen Sie mir, Frau Graefin. In allem, was ich that, folgte ich dem
Befehl des Herrn Grafen. Wenn ich unrecht that--ich that gewiss unrecht
gegen Sie--o, so vergeben Sie es mir!"
"Nun wohl! Lassen wir Vergangenes! Aber was ist jetzt?" draengte Ange.
"Sprechen Sie endlich."
Tibet sah mit scheuem Blick nach der Thuer und fluesterte leise: "Schon
seit reichlich einem Jahr nimmt der Herr Graf ueberaus starke Dosen
Morphium zu sich. Niemand weiss es. Er befahl mir unbedingte
Verschwiegenheit. Auch gegen Sie verbot er, darueber zu sprechen."
Ange bewegte traurig das Haupt: ploetzlich aber schrak sie auf.
"Barmherziger Himmel! Sollte ihm doch bereits etwas zugestossen sein?"
Sie eilte von Tibet fort, wandte sich ins Nebenzimmer und stiess,
hineinblickend, einen Schrei aus.
Clairefort sass wachend aufrecht im Bett. Er sah Ange mit stieren Augen
an und schien sie doch nicht zu sehen. Unzusammenhaengende
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