es Kind an ihre Brust ziehen. Auch das Weinen brach ruehrend
und hilflos wie das Weinen eines Kindes aus ihr hervor; ihr Kopf sank
auf die Schulter der Freundin.
Nur einen Augenblick. Dann richtete sie sich mit einem Ruck empor. Denn
Margrete hatte ihr zugefluestert: "Ihnen fehlt etwas. Sagen Sie es mir!"
Kein Wort als Antwort. Da wagte Margrete nichts mehr zu sagen. Sie stand
auf; sie fuehlte, hier war nichts mehr fuer sie zu tun.
Mary tat auch nichts, um sie zurueckzuhalten. Sie war auch aufgestanden,
und so sagten die beiden sich Lebewohl.
Aber als Margrete an der Tuer stand, konnte sie doch nicht umhin, noch
einmal zu fragen: "Wollen Sie wirklich hinaus--?" Mary nickte, als wolle
sie sagen: "Genug davon! Das ist meine Sache."
Da ging Margrete.
* * * * *
Die Laternen brannten schon, als Mary vor ihrem Hause stand. Sie konnte
sich bei den Windstoessen nur muehsam aufrechthalten, die sich von
Suedwesten her zwischen den Haeusern durchpressten. Sie hatte einen
wetterfesten Mantel um mit einer Kapuze und hohe, gut schliessende,
wasserdichte Stiefel. Sie ging so rasch sie konnte. Eine einzige
Vorstellung war von dem Gespraech mit Margrete Roey in ihr
zurueckgeblieben. Aber die jagte sie vorwaerts, die peitschte ihr mit dem
Regen zusammen in den Ruecken:--Margretes entsetzte Augen und ihr
bleiches Gesicht, als sie gesagt hatte: "Ihnen fehlt etwas? Sagen Sie's
mir!" Himmlischer Vater, sie wusste es! So wuerden alle sie ansehen, wenn
sie es erfuhren! So tief hatte sie die Leute enttaeuscht und gekraenkt in
ihrem Glauben an sie. Ihr war's, als seien sie alle hinter ihr her, als
fliehe sie vor ihnen. Vor dem Kraehenschwarm! Sie stuermte dahin und war
ausserhalb der Stadt, ehe sie selbst es merkte. Hier draussen, wo keine
Laternen mehr standen, war es stockfinster; sie musste eine Weile
stillstehen, bis sie den Weg sehen konnte. Aber dann ging's erst recht
vorwaerts! Sie hatte den Orkan halb von hinten, halb von der Seite.
Das war der Richterspruch, der sie aus Land und Reich verjagte! Der sie
noch weitertrieb! Ihr war's von der ersten Stunde an, da ihr Klarheit
wurde ueber ihre Lage, gewesen, als habe sie ein Paket geschenkt
bekommen, das sie bis jetzt nicht aufgemacht hatte. Sie hatte die ganze
Zeit ueber geahnt, was darin war; aber eigentlich hatte sie es erst
gestern aufgemacht. In dem Paket war ein grosser schwarzer Schleier, in
den sie sich und ihre Schande einhuellen konnt
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