e, der Schleier des Todes.
Aber auch der Schleier wurde ihr nur bedingungsweise geschenkt. Unter
einer Bedingung, die sie von Kind auf kannte. Damals war ihr die
Geschichte einer Grosstante erzaehlt worden, die es hatte verheimlichen
wollen, dass sie waehrend der Abwesenheit des Mannes schwanger geworden
und deshalb heimlich Abend fuer Abend mit blossen Fuessen auf dem eiskalten
Fussboden umhergelaufen war. Sie hatte den natuerlichen Tod sterben
wollen, der die Folge davon sein musste. Dann wuesste keiner, dass sie sich
das Leben genommen habe, und das Warum kam nicht heraus.
Aber irgendeiner hatte sie Nacht fuer Nacht so auf und ab gehen hoeren;
daher kam es doch heraus.
Das wollte sie jetzt besser machen!
Die Schwaeche, die vor Margrete so unerwartet ueber sie gekommen, war
voellig geschwunden. Jetzt hatte sie Kraft zu ihrem Vorhaben.
Als solle ihr Mut sofort auf die Probe gestellt werden, tauchte neben
ihr etwas Schattenhaftes auf. Es trat ungeahnt aus dem Dunkel hervor und
so beaengstigend nahe, dass sie zu laufen anfing. Das Entsetzen, als sie
durch das Toben der Elemente zu hoeren meinte, es komme hinter ihr
hergelaufen! Da fand sie ihre Fassung wieder und blieb stehen. Da blieb
das hinter ihr auch stehen. Sie ging weiter; da ging das Schattenhafte
auch weiter. Nein, dachte sie: wenn ich nicht den Mut habe, dieser
Sache auf den Grund zu gehen, so habe ich auch den Mut nicht zu dem
aendern. Damit drehte sie sich um und ging direkt auf das Ungeheuer zu,
das sie verfolgte: es wieherte gutmuetig,--es war ein junges Pferd. Es
war gesattelt und suchte in seiner Verlassenheit den Menschen. Sie
streichelte es und sprach mit ihm. Es war doch ein Gruss des Lebens, ein
Verlassener, der eine Verzweifelte troestete. Aber als es weiter mitging,
lieferte sie es auf dem naechsten Bauernhof ab. Sie musste allein sein.
Die Leute waren hoechlichst erstaunt. Dass jemand in dem Wetter draussen
war, und noch dazu eine Frau! Sie floh hastig aus der Helle wieder ins
Dunkel hinaus.
Das kleine Ereignis hatte sie gestaerkt; sie wusste jetzt, dass sie Mut
hatte. Und rasch schritt sie vorwaerts.
Sie musste jetzt ueber den ersten Huegel, den der Weg durchquerte. Ob es
wirklich so war, oder ob es ihr nur so schien: der Sturm nahm bestaendig
zu. Er musste doch bald seinen Hoehepunkt erreicht haben. Aber fuer sie lag
all ihr eigener Jammer und ihre Schande darin. Gerade das gab ihr Kraft.
Nicht vor dem Tode hatte sie Furcht,--nur vor
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