auf die Nachwelt gekommen, verraten
niedersaechsischen Dialect.
Ich weiss nicht ob viele meiner Leser sich Begriff und Vorstellung machen
von der wunderbaren Natur einer Sprache, die einem vermeintlich
barbarischen und rohen Sittenzustande angehoert. Diese muessen mir, und
wenn nicht mir, Jakob Grimm, dem Linnaeus der deutschen Sprachgeschichte
auf's Wort zu glauben, dass keine Sprache gegenwaertig auf dem Erdboden
gesprochen wird, die an Bau und Kuenstlichkeit jener alt-plattdeutschen
Sprache das Wasser reichte. Die grammatische, innerliche Gediegenheit
hatte sie mit den aeltesten Grundsprachen und mit ihrer oberdeutschen
Schwester gemein und uebertraf diese vielleicht an Klang, Kraft und
Wohllaut. Allein, das Schicksal wollte ihre Schwester erheben und sie
fallen lassen. Jene hat im Verlauf der Zeit auch unendlich viel von
ihrer leiblichen Schoenheit und jugendlichen Anmuth eingebuesst, allein sie
hat Gewandtheit, Schnelle, Feinheit des Ausdrucks, Begriffsschaerfe,
vermehrte Zahl der Combinationen zum Ersatz dafuer eingetauscht. Die
niedersaechsische Sprache dagegen hat ihre Jugend und staehlerne Kraft
verloren; ohne an Verstand und innerer Feinheit zu gewinnen. Ihre
grammatischen Formen wurden zerstoert und in noch hoeherem Grade, als die
der Schwestersprache, aber ohne dass man bemerken konnte, dass der scharfe
Gaerungsprozess der antiheidnischen neueuropaeischen Bildungsfermente an
der Aufloesung einigen Antheil genommen, sondern ersichtlich und durch
dumpfes truebes Verwittern, das auch Holz und Stein und alles Leblose
oder Absterbende allmaehlig abnagt und zerfrisst.
Als die althochdeutsche Sprache in die mittelhochdeutsche ueberging,
schaute diese als Siegerin auf dem Turnierplatze des deutschen Geistes
umher, sie war es geworden ohne Kampf. Sprache des maechtigsten und
kunstliebendsten Kaiserhauses, lebte sie im Munde der Fuersten, Ritter,
Saenger mit und ohne Sporn, Saenger mit und ohne Krone, welche die
elegante Literatur ihres Zeitalters begruendeten, war sie, was mehr sagen
will, die Sprache des Nibelungenliedes und anderer deutschen
Nationalgedichte, welche mit Ausnahme jener aeltesten Reliquien theils
nie, theils nur in spaeterer Uebersetzung im Plattdeutschen schriftsaessig
wurden.
Welcher Bann, frage ich, lag ueber der niedersaechsischen Literatur?
Derselbe Bann, der ueber dem Volk und seiner Geschichte lag. Es sollte
die maechtige Naturkraft, die einst diesen Stamm beseelte, stocken und
starren u
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