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sich, die ihm von Natur naechsten und liebsten Wesen von sich getrennt zu
sehn durch eine ungeheure geistige Kluft, welche nur die Bildung der
alten und neuen Welt auszufuellen vermogte. Lessing schreibt den Nathan,
und beweist, dass der Jude eben so viel Ansprueche habe auf den Himmel als
der Christ, aber er schreibt nichts, worin er beweist, dass der Bauer,
sein Vetter, eben so viel Ansprueche habe den Nathan zu lesen, als der
vornehme und gebildete Stadtmensch. Winkelmann steht am Fusse des
Vatikans und erfuellt die Welt mit Orakelspruechen ueber die Schoenheiten
des Apoll von Belvedere, ueber das goettliche zornblickende Auge, die
geblaehten Nasenfluegel, die veraechtlich aufgeworfene Unterlippe, "eben
hat er den Pfeil abgesandt nach den Kindern der Niobe, noch ist sein Arm
erhoben," und im selbigen Augenblicke vielleicht, als er dieses spricht,
hebt sein Vater, ein armer Altflicker, gedrueckt und gebueckt ueber den
Leisten hingebogen, Pfriem und Nadel in die Hoehe, blickt mit
geisttodten, stumpfen Augen auf einen Kinderschuh und gewaehrt den
Anblick eines Menschen, gegen den gehalten der letzte Sclave des
Praiteles, der an die Palaeste der altroemischen Grossen wie ein Hund
angekettete Thuerwaechter apollinische Gestalten waren.
Volksbildung, o das Wort hat einen griechischen Klang in meinen Ohren
und ich muss daher fast bezweifeln, ob es auch von meinen Landsleuten
gehoerig verstanden wird. Schulleute und Gelehrte werden schon wissen,
was ich meine, ich brauche nur die Woerter zu nennen: [Griechisch:
gymnasticha], _studia liberalia, id est_, wie mein alter Schuldirektor
glossirend hinzufuegte, _studia libero homine digna_. Fuer das groessere
Publikum muss ich mich wol zu einer etwas umstaendlichern Erklaerung
anschicken und besonders fuer diejenigen, welche nicht begreifen, wie das
Volk nicht bloss unterrichtet, in Lesen und Schreiben geuebt, sondern auch
gebildet werden solle.
Zur Volksbildung, wie zu jeder Bildung gehoert zweierlei, etwas Negatives
und etwas Positives. Sage ich aber vorher, dass ich die Saiten nicht zu
hoch spanne und dass ich so dem natuerlichen Muthwillen der Knaben die
ganze koerperliche Gymnastik, und der Gunst der Goetter ihren
Schoenheitssinn, ihre musikalische Praxis und dergleichen ueberlasse. Im
Negativen ist die Aufgabe der Bildung, die _vis inertiae_ der rohen
Natur vertreiben und bezwingen zu helfen--das Kapitel ist weitlaeufig--es
besteht aber die _vis inertiae_, di
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