Unsern predigen und lehren.
Erstlich lehren sie bei uns von denen, die zur Ehe greifen,
also, dass alle die, so zum ledigen Stand nicht geschickt sind,
Macht, Fug und Recht haben, sich zu verehelichen. Denn die Geluebde
vermoegen nicht Gottes Ordnung und Gebot aufzuheben. Nun lautet
Gottes Gebot also 1 Kor. 7, 2: "Um der Heuerei willen habe ein
jeglicher sein eigen Weib, und eine jegliche habe ihren eigenen
Mann." Dazu dringt, zwingt und treibt nicht allein Gottes Gebot,
sondern auch gottes Geschoepf und Ordnung alle die zum Ehestand,
die ohne sonderes [besonderes] Gotteswerk mit der Gabe der
Jungfrauschaft nicht begnadet sind, laut dieses Spruchs Gottes
selbst Gen. 2, 18: "Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei;
wir wollen ihm eine Gehilfin machen, die um ihn sei."
Was mag man nun dawider aufbringen? Man ruehme das Geluebde
und Pflicht, wie hoch man wolle, an mutze es auf, als [so] hoch man
kann, so mag [kann] dennoch nicht erzwingen, dass Gottes Gebot
dadurch aufgehoben werde. Die Doctores sagen, dass die Geluebde,
auch wider des Papsts Recht, unbuendig [nicht verbindlich] sind,
wieviel weniger sollen sie denn binden, Statt und Kraft haben wider
Gottes Gebot!
Wo die Pflichten der Geluebde keine anderen Ursachen haetten,
dass sie moechten aufgehoben werden, so haetten die Paepste auch
nicht dawider dispensiert oder erlaubt. Denn es gebuehrt keinem
Menschen die Pflicht, so aus goettlichen Rechten herwaechst, zu
zerreissen. Darum haben die Paepste wohl bedacht, dass in dieser
Pflicht eine Aequitaet soll gebraucht werden, und haben zum
oesternmal dispensiert, als, mit einem Koenige von Aragonien und
vielen andern. So man nun zur Erhaltung zeitlicher Dinge
dispensiert hat, soll viel billiger dispensiert werden um Notdurft
willen der Seelen.
Folgends [ferner], warum treibt der Gegenteil so hart, dass
man die Geluebde halten muss, und sieht nicht zuvor an, ob das
Geluebde seine Art habe? Denn das Geluebde soll in moeglichen
Sachen willig und ungezwungen sein. Wie aber die ewige Keuschheit
in des Menschen Gewalt und Vermoegen stehe, weiss man wohl; auch
sind wenig, beide Manns= und Weibspersonen, die von ihnen selbst,
willig und wohlbedacht, das Klostergeluebde getan haben. Ehe sie
zum rechten Verstand kommen, so ueberredet man sie zum
Klostergeluebde; zuweilen werden sie auch dazu gezwungen und
gedrungen. Darum ist es je nicht billig, dass man so schwind
[scharf] und hart von der Geluebdepflicht disputiere,
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