ein Volksmittel, von
welchem die aelteste und die neueste Zeit zu erzaehlen hat. Das
Poenitentiale des hl. Bonifacius und dasjenige von Angers (Poenitentiale
Andegavense) schreiben dem Priester vor, die Frage an sein Beichtkind zu
stellen, ob es von dem zauberhaften Maus- oder Wieseltrank genossen
habe: edisti de liquore, in quo mus aut mustella mortua invenitur? Das
Verbot gegen diesen Trank wird von mehreren Kirchenschriftstellern,
darunter Regino und Burchard von Worms wiederholt, zugleich den
Bischoefen aufgetragen, bei der jaehrlichen Kirchenvisitation strenge
Nachforschung hierueber anzustellen. Auffallender Weise aber lebt die
Unsitte bis heute fort. In baierisch Rosenheim gilt als probates Mittel
gegen Epilepsie eine Maus, die gewiegt, gekocht und verspeist werden
muss, und ein sehr verbreitetes kostspieliges Geheimmittel, welches von
Frankreich aus in Ruf gekommen ist, besteht nach neuerlich angestellter
Analyse aus pulverisirten Maeusen. Bavaria 1, 464. Nun behauptet zwar die
uns persoenlich umgebende schweizerische Volksmedicin, Bettnaesser seien
dadurch zu heilen, dass man ihnen eine in Wein destillirte Maus zu
trinken gebe; allein man lasse sich hiebei nicht dadurch irreleiten,
dass auch schon Plinius NG. 30, c. 47 den Kindern, welche den Harn nicht
verhalten koennen, gepulverte Maeuse unter der Speise zu essen verordnet;
denn diese Heilmethode gruendet sich auf ein blosses Wortspiel und steht
nicht in entfernter Beziehung zu jenem dem Thiere beigemessenen,
daemonischen Charakter. Nach dem Medicinischen Lehrsatze, Gleiches mit
Gleichem zu vertreiben, schlaegt nemlich Plinius vor, die Muskelschwaeche
am Halse der Harnblase durch eine eingenommene Maus zu heilen, da
latein. musculus beides ist, Muskel und Maeuslein. Die deutsche Medicin
nahm nicht bloss diese gleiche Benennungsweise, sondern auch die daran
geknuepfte Heilmethode an, um so mehr, als beides urspruenglich unter dem
Einflusse der waelschen Universitaeten zu Padua und Montpellier stand.
Peter Vffenbachs Newes Artzneybuch ist eine Uebersetzung der Chirurgie
des Hieron. Fabricius ab Aquapendente, Professors zu Padua, und schreibt
daher (Frankfurter Ausgabe von 1605, S. 127) woertlich nach: "Das
Bettharnen der Kinder entsteht, wenn das Maeusslin, so umb den Hals der
Harnblasen herumbliegt, verletzt wird und dem Willen des Menschen nicht
mehr gehorchen kann." Die spaeteren Aerzte gebrauchen denselben Ausdruck
und pflanzen den daran geknuepften Aberglaub
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