Gestalt, die lautlos an der Mauer dahinglitt. Rasch nur, aber
scharf, fiel das Mondlicht darauf.
"Es ist eine Lemure! Ein Schatte der vielen hier Ermordeten," sprach der
Alte bebend. "Gott und die Heiligen schuetzet mich!" Und er bekreuzte sich
und verhuellte das Haupt.
"Nein," sprach Rauthgundis, "die Toten kommen nicht wieder vom Jenseits.
Jetzt ist's verschwunden - Dunkel ringsum - Sieh, da bricht der Mond durch
- da ist es wieder! Es schwebt voran gegen die Gangthuer. Was schimmert da
rot im weissen Licht? Ah, das ist die Koenigin - ihr rotes Haar! Sie haelt an
der Gangthuer. Sie schliesst auf! Sie will ihn im Schlaf ermorden!"
"Weiss Gott, es ist die Koenigin! Aber ihn ermorden! Wie koennte sie!"
"_Sie_ koennte es! Aber sie soll es nicht, so wahr Rauthgundis lebt. Ihr
nach! Ein Wunder thut uns seinen Kerker auf! Doch aber leise! Leise!"
Und sie trat aus der Halbthuer in den Hof, das Beil in der Rechten,
vorsichtig den Schatten der Mauer suchend, langsam, auf den Zehen
schleichend. Dromon folgte ihr auf dem Fusse.
Inzwischen hatte Mataswintha die Gangthuer aufgeschlossen und ihren Weg
erst viele Stufen hinab, dann durch den schmalen Gang, mit den Haenden
tastend, zurueckgelegt. Nun erreichte sie die Pforte des Kerkers. Sacht
erschloss sie auch diese.
Durch einen ausgehobenen Ziegelstein hoch oben im Turm fiel ein schmaler
Streif des Mondlichts in das enge Quadrat. Es zeigte ihr den Gefangenen.
Er sass, den Ruecken gegen die Thuere gewandt, das Haupt auf die Haende
gestuetzt, reglos auf einem Steinblock.
Zitternd lehnte sich Mataswintha an die Pfosten der Pforte. Eiskalte Luft
schlug ihr entgegen. Sie fror. Sie fand keine Worte: vor Grauen.
Da spuerte Witichis an dem Windzug, dass die Pforte geoeffnet worden. Er hob
das Haupt. Aber er sah nicht um.
"Witichis - Koenig Witichis" - stammelte endlich Mataswintha - "ich bin's.
Hoerst du mich?"
Aber der Gefragte ruehrte sich nicht.
"Ich komme, dich zu retten - fliehe! Freiheit!"
Aber der Gefangene senkte wieder das Haupt.
"Oh sprich! - oh sieh nur auf mich!" - Und sie trat ein. Gern haette sie
seinen Arm beruehrt, seine Hand gefasst. Sie wagte es noch nicht. "Er will
dich toeten - quaelen. Er wird es thun, - wenn du nicht fliehst."
Und nun gab ihr Verzweiflung den Mut, naeher zu treten. "Du sollst aber
fliehn! Du sollst nicht sterben! Du sollst gerettet sein - durch mich! Ich
flehe dich an - fliehe! Du hoerst mich nicht! Die Zeit draengt! Ei
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