Wie die Aloeform sich durch ernste Ruhe und Festigkeit, so charakterisirt
sich die *Grasform*, besonders die Physiognomie der baumartigen Graeser,
durch den Ausdruck froehlicher Leichtigkeit und beweglicher Schlankheit.
Bambusgebuesche bilden schattige Bogengaenge in beiden Indien. Der glatte,
oft geneigt-hinschwebende Stamm der Tropen-Graeser uebertrift die Hoehe
unserer Erlen und Eichen. Schon in Italien faengt im _Arundo Donax_ diese
Form an, sich vom Boden zu erheben, und durch Hoehe und Masse den
Naturcharakter des Landes zu bestimmen.
Mit der Gestalt der Graeser ist auch die der *Farrenkraeuter* in den heissen
Erdstrichen veredelt. Baumartige, oft 35 Fuss hohe Farrenkraeuter haben ein
palmenartiges Ansehen; aber ihr Stamm ist minder schlank, kuerzer,
schuppig-rauher als der der Palmen. Das Laub ist zarter, lokker gewebt,
durchscheinend, und an den Raendern sauber ausgezakt. Diese kolossalen
Farrenkraeuter sind fast ausschliesslich den Tropen eigen, aber in diesen
ziehen sie ein gemaessigtes Klima dem ganz heissen vor. Da nun die
Milderung der Hitze bloss eine Folge der Hoehe ist; so darf man Gebirge,
die 2 bis 3000 Fuss ueber dem Meere erhaben sind, oder die Hoehe unsers
deutschen Brokkens, als den Hauptsiz dieser Form nennen. Hochstaemmige
Farrenkraeuter begleiten in Sued-Amerika den wohlthaetigen Baum, der die
heilende Fieberrinde darbietet. Beide bezeichnen die gluekliche Region der
Erde, in der ewige Milde des Fruehlings herrscht.
Noch nenne ich die Form der *Liliengewaechse*, (_Amaryllis_, _Pancratium_)
mit schilfartigen Blaettern und prachtvollen Bluethen, eine Form, deren
Hauptvaterland das suedliche Afrika ist; ferner die *Weidenform*, in allen
Welttheilen einheimisch; und wo _Salix_ fehlt, in den _Banksien_ und
einigen _Proteen_ wiederholt; *Myrthengewaechse*, (_Metrosideros_,
_Eucalyptus_, _Escallonia_) *Melastomen-* und *Lorbeerform*.
Es waere ein Unternehmen, eines grossen Kuenstlers werth, den Charakter
aller dieser Pflanzengruppen nicht in Treibhaeusern oder in den
Beschreibungen der Botaniker, sondern in der grossen Tropen-Natur selbst,
zu studiren. Wie interessant und lehrreich fuer den Landschaftsmaler ware
ein Werk, welches dem Auge die aufgezaehlten sechszehn Hauptformen, erst
einzeln, und dann in ihrem Contraste gegen einander, darstellte. Was ist
malerischer, als baumartige Farrenkraeuter, die ihre zartgewebten Blaetter
ueber die Mexikanischen Lorbeereichen ausbreiten! Was reizender, als
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