nun einerseits behaupten, dass die alten Aegypter nicht nur die
Flaeche des Kreises, des Quadrates, des Rechteckes, des rechtwinkligen
sowie des schiefen Dreieckes, und unter Zuhilfenahme der Zerlegungen auch
die Flaechen beliebiger Polygone theoretisch genau zu bestimmen im Stande
waren, mit Ausnahme der auch fuer uns eine solche bildenden Kreisflaeche, so
muss doch anderseits zugestanden werden, dass man sich bei praktischen
Anwendungen mit Naeherungen begnuegte, welche im Laufe der Zeiten so
ausarteten, dass der Gebrauch falscher Regeln ein allgemeiner wurde.
Am linken Nilufer in der Mitte zwischen *Theben* und *Assuan* liegt
*Edfu*, das alte *Appollinopolis Magna* mit einem stattlichen Tempelbau
aus den Zeiten der Ptolomaeer. Der Tempel, hauptsaechlich dem Gotte *Horus*
geweiht, ist mit einer freistehenden Umfassungsmauer umgeben,(41) deren
Ostseite zwischen dem Brunnenthore und dem oestlichen Pylonfluegel eine
Inschrift traegt, welche uns auf acht Feldern und in hundertvierundsechzig
Columnen(42) eine Schenkungsurkunde des Koenigs *Ptolomaeus XI. Alexander
I.* (mit dem Beinamen *Philometor*) bekannt gibt. Das Geschenk, welches
hier *Horus* und den uebrigen Goettern von *Edfu* verliehen wird, besteht
aus einer Anzahl von meist viereckigen Aeckern, deren vier Seitenlaengen
nebst Flaecheninhalten angegeben erscheinen.
Da jeder der vorkommenden Flaecheninhalte identisch ist mit dem Producte
der arithmetischen Mittel der beiden Gegenseitenpaare, so wurde nach
*Lepsius* die Vermuthung aufgestellt, die alten Aegypter haetten, um
Vierecke bei der Flaechenbestimmung annaehernd wie Rechtecke behandeln zu
koennen, den Unterschied der Gegenseiten dadurch auszugleichen gesucht,
dass sie die arithmetischen Mittel derselben in Rechnung zogen.
Bei sehr vielen der in der *Edfu*er Schenkungsurkunde vorkommenden
Vierecke ist der Unterschied je zweier Gegenseiten entweder Null oder
verhaeltnissmaessig so klein, dass man den betreffenden Vierecken eine vom
Rechtecke wenig verschiedene Gestalt beilegen kann, und die erhaltenen
Resultate somit eine ziemliche Annaeherung an den richtigen Flaechenwerth
darstellen duerften, nach dem man mit Ruecksicht auf die bei *Sesostris*
bemerkte Eintheilung des Landes in Rechtecke voraussetzen darf, gerade
diese oder eine ihr zunaechst kommende Form der Felder sei die auch damals
schon beliebte gewesen.
Doch kommen auch Vierecke vor, wo der Laengenunterschied der Gegenseiten
ein bemerkenswerther
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