ihrer feinen Seele, ihrem Stolz und ihrer sittlichen Auffassung
darin finden, dass mich Knoops fortan fast ganz wie eine laestige Zugabe
ansahen und behandelten, statt als Verwandte, als Opfer der
Unbestaendigkeit ihres Sohnes.
"Sie warfen und werfen--je laenger die Zeit--die Schuld an allem, was
eingetreten, auf mich. Sie versetzten sich nicht einen Augenblick in die
Lage einer geschiedenen Frau, die zwar nun zu leben hatte, aber
naturgemaess in einen menschenscheuen, weltverachtenden und lebensmueden
Zustand geraten war."
"Und Fraeulein Margarete?" fragte Klamm.
"Sie ist so leidend, dass man an ihrer Wiedergenesung zweifelt, ja, sie
ist wohl ueberhaupt aufgegeben. Sie schleppt sich nur noch als unheilbare
Lungenkranke nach der Influenza, an der sie fortdauernd in schwerster
Weise gelitten, hin. Wenn mich etwas schmerzt, wenn mich etwas ausser dem
Hinscheiden meiner Tante traurig macht, so traurig, dass ich jeden Tag
daran denken und mich sorgen muss, so ist es das Schicksal dieser meiner
Freundin. Sie ist ein wahrhaft vortreffliches Maedchen, Sie wissen es,
Herr von Klamm. Und sie war mir wie eine treue Schwester."
"Hm," stiess Klamm nachdenklich heraus. "Wenn ich bedenke, wie gluecklich
die Familie Knoop war, und was aus ihnen nach Aufgabe ehrlicher Arbeit
geworden ist!
"Die Alten voll tiefster Enttaeuschung, voll sehnsuechtigen Verlangens
nach dem "Einst", die Tochter sterbend--der Sohn--der Sohn.--Was wissen
Sie von ihm, Frau Ileisa?"
"Nichts--gar nichts! Bei dem formellen Scheidungsakt haben wir uns noch
einmal gesehen und gesprochen. Da gab er mir die Hand und sagte in
seiner kalt nuechternen Weise: 'Lebe wohl! Moege es dir gut gehen,' dann
ging er, ohne mich auch nur noch einmal anzusehen. Er behandelte die
Angelegenheit ganz wie ein nun einmal nicht zu umgehendes, moeglichst
rasch zu Ende zu fuehrendes Geschaeft. Er ist ein Mensch, der nur sich
kennt, der nichts respektiert, aber allerdings auch sich selbst nicht.
"In dieser Hinsicht ist er aeusserst objektiv, er ist durchaus nicht im
Unklaren ueber sich. Er giebt der Wahrheit die Ehre, spielt keine
Komoedien. Und das war's ja auch, das mich seinerzeit anzog, wodurch es
kam, dass ich meiner Tante glaubte, die mir zuredete und einbildete, ich
koenne auf ihn einwirken. Er war anders, als der Durchschnitt. Er besass
Konsequenz und Willen, wennschon er, wie sich herausgestellt hat,
lediglich die Pfade bequemer Selbstsucht und Genusssucht beschritt.
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